Fremdes Licht
starben
zwar nicht ab, wurden aber immer kraftloser und durchsichtiger. Das
Gras, zäher als alle anderen Pflanzen, wuchs nicht heran und
verwelkte auch nicht, es wurde scharfkantig, spitz und trocken, jeder
Halm ein einzelner winziger Dolch.
Die Angst war so ansteckend wie der Hautausschlag. Einige Menschen
hatten gerade soviel aufgeschnappt in der Unterrichtshalle, um zu
begreifen, daß diese Bakterien unsichtbar waren, und etwas
Unsichtbares, so spekulierten einige, das mochten ihnen die Geister
der Toteninsel geschickt haben. Auf Quom hielt man jedoch im
allgemeinen wenig von Geistern, und so kam es, daß die meisten
Delysier und Jeliten diese Art Krätze eher skeptisch als
abergläubisch betrachteten. Man war zornig, man hatte Angst.
Weder Schlammpackungen noch Heilsalben noch die Arzneien der
Kriegerpriester, die ein paar jelitische Bürger heimlich an
delysische Händler verkauften – nichts konnte das
schmerzhafte Jucken lindern.
Ein Schwarm von Delysiern auf einem Wroffpfad. Vorneweg eine
Musikantin, die ihre Flöte umklammert. Sie wird vorangeschubst
von Händen, die sie nur kurz berühren. Sie stolpert ein
paar Schritte, dann bleibt sie stehen und dreht sich um. Ein
jämmerlicher Anblick, aschfahl ihr Gesicht rings um die
schorfigen, wiederaufgebrochenen Flecken.
»Geh zu den Geds«, sagt jemand unerbittlich aber
nicht unfreundlich. »Einige halten sich ständig in dieser
leeren Halle auf.«
»Aber das ist doch in der Nähe der
Jeliten!«
»Geh zu den Geds.«
»Das könnt ihr mir nicht antun! Das nicht –
Ahmed! Mit dir hob ich mein Daumenschloß geteilt, laß
nicht zu, daß sie mich zu den Geds schicken!«
Ahmed starrt auf den Boden und schweigt. Der Tebel strafft und
kräuselt sich zwischen den Schulterblättern.
»Geh jetzt!« sagt ein schmächtiger Mann
plötzlich heftig. »Vielleicht hast du… gestern hob ich
beim Essen noch neben dir gesessen! Wenn ich…« Er redet
nicht zu Ende.
Die Musikantin pflanzt sich breitbeinig auf. »Ich will
nicht. Ich will nicht!«
Es rumort in der Gruppe. Der schmächtige Bürger
bückt sich und hebt einen Stein auf. Er macht einen drohenden
Schritt auf sie zu, aber es klingt fast weinerlich, wie eine
Rechtfertigung, als er sagt: »Wir alle könnten uns
anstecken bei dir.«
Die Frau rührt sich nicht von der Stelle. Der Mann macht
noch einen Schritt auf sie zu. Dann kreischt sie etwas, das niemand
versteht, dreht sich um und läuft davon.
Man blickt ihr schweigend nach, sieht einander nicht an.
Plötzlich sagt ein Soldat am Rand der Gruppe: »Ich gehe ihr
nach. In der Nähe der Halle wurde die Glasbläserin
überfallen.«
Der Soldat zieht sein Kugelrohr und folgt der Kranken mit den
ausholenden Schritten eines trainierten Kämpfers. Die anderen
schlagen wortlos die Richtung zu den delysischen Hallen ein. Nur
Ahmed bleibt zurück, die geballten Fäuste an den
Oberschenkeln, den Kopf gesenkt, damit niemand sein Gesicht sehen
kann.
»Die einzige Bouillon, die klar geworden ist, ist die in
Ayrids Glasmachersäure«, sagte Dahar mißmutig.
»Keine in unseren Heilsäften und keine in den Antitoxinen
der Geds. Nicht eine.« Er sah von dem
Vergrößerungsgerät auf, die Enttäuschung sprang
ihm aus dem Gesicht. Das Vergrößerungsgerät stand auf
dem Boden auf und reichte ihm bis zur Hüfte, ein dunkelgrauer,
schmuckloser Kasten, so schwer, daß nicht einmal Dahar ihn
anheben konnte. Der Kasten ließ sich nicht öffnen. Es gab
nur dieses eine Gerät.
»Laß mich mal sehen«, sagte Krijin mit ihrer
zaghaften Stimme. Sie traute sich erst an das Gerät heran,
nachdem Dahar Abstand genommen hatte, doch sie klang gar nicht mehr
scheu, als es um die Antitoxine ging: »Die Säure würde
nicht nur die kranke Haut auffressen, sondern auch die gesunde.
Zwecklos.«
Ayrid, die dafür sorgte, daß diese verrückten,
ungreifbaren Bakterien noch mehr Nährlösung
eintrübten, sagte: »Und wenn wir die Säure mit Wasser
verdünnen?«
»Dann wäre sie immer noch zu scharf«, sagte Krijin.
»Zwecklos.«
»Wie alles, was wir hier machen«, sagte Ilabor
verbissen.
»Das stimmt nicht«, sagte Tey. »Immerhin wissen wir
jetzt, was nicht funktioniert. Das ist mehr als wir vorher
wußten.« Er lächelte matt, während er auf der
anderen Seite des Raums lässig an der Wand lehnte.
Der kleine Händler verbrachte, abgesehen von Dahar, mehr Zeit
im Arbeitsraum als jeder andere – und er setzte nie eine
Bouillon an, gab sich nie mit dem Eiter der Kranken ab, die zu den
Geds
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