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Fremdes Licht

Fremdes Licht

Titel: Fremdes Licht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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stehen sieben Wroffschüsseln
voll Wasser und ein großer Kessel voll Eintopf, der jetzt kalt
ist. In der Ecke steht ein Topf für die Notdurft, Kalk aus dem
Flußbett dämpft den Geruch.
    Fäuste hämmern an die Tür. Der Mann hebt den
Kopf; Gesicht und Unterarme sind mit roten Flecken bedeckt. Er
beginnt sich wie verrückt zu kratzen, zwingt sich
aufzuhören, kann es nicht lassen. Er kratzt sich blutig.
    Urplötzlich tritt Stille ein. Der Bürger holt tief
Luft, starrt an die Tür. Aber das Daumenschloß schnappt
nicht auf. Niemand kann an ihn heran. Solange er sein Zimmer nicht
verläßt, bleibt die Tür verschlossen.
    Er blickt auf die sieben Schüsseln mit Wasser und den
Kessel mit Eintopf, dann kehrt der Juckreiz zurück.
     
    »Ich begreife nicht«, sagte Dahar, »warum die
Antitoxine nicht anschlagen.«
    Ayrid schwieg. Sie war schläfrig und satt und mochte nicht
mehr reden. Es war stockfinster in Dahars Zimmer. Dahar lag lang
ausgestreckt auf dem Rücken, und Ayrid lag an ihn gekuschelt.
Ihr Daumen zog träge Kreise auf seiner glatten Brust. In einem
Winkel ihres Bewußtseins schwebte die Erinnerung an Kelovars
Brust, an die dünnen, dichten Haarkräusel, nicht so sehr
ein Gedanke, kein Bild, mehr die Erinnerung an ein Gefühl. Ayrid
biß die Zähne aufeinander. Ohne diesen schwelenden Argwohn
bei Dahar hätte sie sich jetzt nicht an Kelovar erinnert.
    »Es muß daran liegen, daß diese Bakterien so
winzig sind«, sagte Dahar. »So winzig, daß man sie
nicht mal mit dem Vergrößerungsgerät sehen kann. Wenn
die Antitoxine doch alle anderen Bakterien töten, aber
diese…«
    »Hast du einen Beweis?« sagte Ayrid.
    Er grübelte. »Nein. Hab ich nicht. Aber Grax hat gesagt,
er kennt kein Bakterium, das nicht wenigstens von einem der
Antitoxine angegriffen wird – und keins, das so klein ist,
daß man es nicht sichtbar machen kann. Vielleicht hängt
das eine mit dem anderen zusammen. Aber wie?«
    »Vielleicht sind es keine Bakterien«, sagte Ayrid, nur
um etwas zu sagen. Aber als sie es gesagt hatte, da war sie
plötzlich fasziniert von der Idee. Ihr Daumen hörte auf,
Kreise auf Dahars Brust zu ziehen. »Wer sagt denn
überhaupt, daß diese Bakterien… Bakterien
sind?«
    »Was sonst?«
    »Weiß ich nicht. Aber überleg doch mal, vor sechs
Zehnzyklen, da wußten wir noch nichts von Bakterien. Es gibt
bestimmt noch eine Menge, wovon wir nichts wissen.«
    »Aber Grax würde es wissen. Er hätte uns das
gesagt.«
    Ayrid schwieg, aber nur einen Moment lang, dann sagte sie sehr
bedächtig, wobei sie ihre Worte so wählte, daß sie
Dahars Argwohn nicht nährten: »Grax hat gesagt, er kennt
kein Bakterium, das nicht von den Antitoxinen der Geds angegriffen
wird. Vielleicht ist das etwas, das nur bei uns Menschen vorkommt.
Vielleicht kennen sie es auch noch nicht, genau wie wir.«
    Ihr war, als könne sie ihn neben sich in der Dunkelheit
denken hören; sie tastete nach seiner Hand. Sofort und
rückhaltlos griff er danach, und ein leichtes, schmerzliches
Bedauern regte sich in ihrer Brust. So war es immer. Wenn sich ihre
Körper fanden, spürte sie bei Dahar immer eine
Zurückhaltung, eine Unbeholfenheit, die aber dem markigen
Vergnügen, das ihnen der Sex bereitete, keinen Abbruch tat. Er
begehrte sie, liebkoste sie, streichelte sie – doch sie fragte
ihn nie darüber aus, was er dabei dachte. Sie wollte es nicht
wissen.
    Doch wenn es um die Gedwissenschaft ging, da gab es keine
Zurückhaltung, kein Zögern, keine Verlegenheit. Die fremden
Wörter hatten ihren merkwürdigen Klang verloren. Es machte
Freude, dem raschen Gedankenflug des anderen zu folgen, Freude, die
sich nicht selten zu neuer Leidenschaft aufschaukelte – und dann
wurde er wieder vorsichtig, verschloß den Mund an ihrer Brust,
so fest, daß die Zähne knirschten, so sehr, daß noch
etwas anderes als Leidenschaft im Spiel sein mußte. Und sie
hatte Angst, ihm zu verraten, wie gern sie das hatte, weil auch das
etwas sein mochte, was ein Krieger von einer Hure erwartete.
    Sie sprachen nie darüber. Ayrid entsann sich, wie Jehanna
gesagt hatte: Du faselst von Sachen, von denen du keine Ahnung
hast, und sie lag in der Finsternis neben Dahar und schloß
die Hände zu Fäusten.
    Dann sagte Dahar: »Aber selbst wenn es keine Bakterien sind,
wenn es etwas anderes ist, warum kann der Gedapparat es nicht
vergrößern? Warum bleibt es unsichtbar?«
    »Vielleicht, weil es so klein ist, daß selbst die
Vergrößerung noch zu klein ist.«
    »Wir können Teile von

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