Fremdes Licht
dich?«
»J-ja.«
Jehanna ließ los. Talot taumelte auf die Füße,
stützte sich mit einer Hand an der Wand ab. Ihre Stimme
zitterte. »Du hast gewonnen. Also kannst du jetzt mein Quartier
verlassen.«
Doch Jehanna hatte keine Lust zu gehen. Der harte Kampf, an sich
schon etwas Lustvolles, hatte ihre Wut aufgezehrt. Talot war eine
zähe Gegnerin gewesen, sie verdiente Respekt. Und dieses leichte
Zittern in Talots Stimme… Jehanna kam keuchend auf die
Füße, sie musterte Talot. Langsam sagte sie: »Die
Meister haben dich trotzdem Kriegerin werden lassen.«
»Ja.«
»Welche Strafe hast du bekommen?«
Zuversicht färbte Talots Stimme. »R’Frow. Der
Trainingsmeister hat mich geschickt. Ich soll die neuen Waffen holen,
für den Kader. Um wieder gutzumachen, was ich… was ich
getan habe.«
»Und was ist aus dem Bruder geworden? Hat man ihn wenigstens
bestraft, weil er dich als Hure benutzt hat?«
»Ja.«
»Und wie?«
»Er muß noch einmal die Bewährungsprobe über
sich ergehen lassen. Und das, wo er schon länger als ein Jahr im
Kader war.«
»Und du hast ihm seinen Willen gelassen?«
»Ja!«
»Warum? Warum, zum Henker, hast du das gewollt, mit einem
Mann?«
»Du hast es bestimmt noch nicht gewollt!«
»Nein! Warum auch, Talot?«
»Ich weiß nicht«, sagte Talot. Eine Weile
rührte sich nichts im orangefarbenen Halbdunkel, dann sagte
Talot: »Im Ringkampf schlug er jeden in seinem Kader. Er war so
gut wie Dahar im Schulungshof heute nachmittag.«
Jehanna war unwillkürlich beeindruckt. Dahar hatte eine
unglaubliche Kondition bewiesen.
Talot behielt Würde, auch wenn ihre Stimme noch immer leicht
bebte. »Ich habe volles Verständnis dafür, wenn du
jetzt gehst, Jehanna. Aber ich bitte dich um Verschwiegenheit. Soviel
kann ich von einer Schwester erwarten.«
Jehanna entging nicht das Beben in Talots Stimme. Talots Geruch
stieg ihr aus dem Halbdunkel in die Nase, süß und warm.
Sie konnte gerade noch einen Zopf aus diesem herrlichen Haar
erkennen, der über eine kleine Brust fiel.
»Talot. Wenn du das Daumenschloß deiner Tür mit
mir teilst, dann teile ich das meine mit dir.«
Talot atmete tief durch. »Nach allem, was… was du von
mir weißt?«
»Vorbei. Vergangenheit. Nur ein Mann?«
»Nur einer – natürlich nur einer!«
»Vorbei ist vorbei. Was bei der Schwarzen Kälte hat das
jetzt noch zu bedeuten? Du führst das Schwert der Ehre, indem du
die Waffen besorgst, und du willst nie wieder mit einem Mann
schlafen, bevor du nicht das Alter einer Mutterkriegerin
hast.«
»Nie wieder!«
Jehanna drückte in den warmgelben Kreis. Licht flutete in den
Raum. Sie grinste Talot an. »Du bist ein guter
Kämpfer.«
Talot grinste zurück und kam näher. »Du bist der
bessere. Du hast mir fast den Arm ausgekugelt.«
»Soll ich einen Kriegerpriester holen?«
»Nein. So schlimm ist es nun auch wieder nicht.«
Sie lächelten einander mit scheuem Respekt an. Jehanna legte
den Arm um Talot und zog sie auf die Kissen. »Wir sollten
schlafen; du hast immerhin die zweite Wache, und ich die
dritte.«
»Ich werd dich wecken. Verfluchtes Licht – in Jela wurde
ich von alleine wach, kurz bevor ich Wache hatte.«
»Klar.«
»Jehanna, hast du das alles begriffen, was der Ged über
das Licht und die Luft und das ›Zwingen‹ gesagt
hat?«
Jehanna zuckte die Achseln. »Blablabla. Solange sie mit neuen
Waffen herausrücken, sollen sie meinetwegen soviel reden, wie
sie wollen.«
Talot löschte das Licht, und sie legten sich wieder auf die
Kissen zurück. Als Talot sich über die rechte Schulter
rollte, zuckte sie ein wenig zusammen. Nicht alle Krieger hatten das
Talent, sofort einzuschlafen, wenn sie es wollten. Talots Atem hatte
sich schon verlangsamt, als Jehanna noch auf dem Rücken lag und
an die dunkle Decke starrte.
»Talot?« sagte sie zaghaft.
Talot verlagerte ein bißchen ihr Gewicht.
»Talot – wie hat es sich angefühlt? Ich meine, mit
einem Mann?«
Doch Talot schlief bereits. Jehanna schämte sich ein
bißchen und schloß die Augen. Genug jetzt; noch mehr zu
fragen, war taktlos. Talot war keine Bürgerin und auch keine
Hure. Sie war eine Kriegerin; die Trainingsmeister hatten sie nicht
geächtet, und Trainingsmeister wußten, was sie taten.
Deshalb waren sie geworden, was sie waren; sie machten keine
Fehler.
Jehanna hielt die Augen geschlossen und schlief ein.
In der Dunkelheit erhob sich SaSa, die jelitische Hure, still und
taktvoll vom Lager. Der Bruderkrieger, der da befriedigt
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