Fremdes Licht
gekommen; sie mußte den
Wortwechsel zwischen Ayrid und Ondur aufgeschnappt haben, eine
einfache Soldatin mit stechenden Augen. Es gab von Haus aus mehr
jelitische Kriegerinnen als delysische Soldatinnen, und Ayrid hatte
beobachtet, daß die delysischen Frauen, die Soldat wurden,
meist so aussahen wie die hier: als würden sie Bittergalle
trinken. Die Soldatin sagte: »Ich finde, die Verbannung
dürfte nur die Jeliten treffen. Sie haben gemordet. Die Geds
sollten sie alle miteinander aus der Stadt jagen – sie
müßten völlig leer ausgehen.«
»Aber wenn wir zurückschlagen…«
»Dann wäre das kein Morden! Wir würden uns nur
verteidigen. Reine Selbstverteidigung.« Plötzlich sah sie
Ayrid mit bohrendem Blick an. »Gegen Selbstverteidigung ist doch
nichts einzuwenden, nicht wahr, Glasbläser?«
»Nein. Verteidigt euch«, sagte Ayrid, ließ Ondur
und die Soldatin stehen und steuerte auf die Leiter zu, die zu den
Quartieren führte.
Indem sie die Tür hinter sich schloß, sperrte sie den
Tumult aus, der von unten heraufdrang; sie drückte in den
glühenden Kreis an der Wand. Auf dem Boden herrschte ein
wüstes Durcheinander aus runden Stäben, Kupferdraht,
Schüsseln und Metallplatten. Sie nahm nichts von alledem
wahr.
Wie würden die Geds auf den Mord reagieren? Sie schienen
nicht zwischen Delysiern und Jeliten zu unterscheiden –
würden sie alle Menschen aus R’Frow verbannen?
Wohin dann mit ihr?
Seit Zehnzyklen unterdrückte sie nun schon das lähmende
Verlangen nach Embri. Jetzt übermannte es sie. Sie konnte nicht
zu Embri zurück, und im Kampf gegen die Savanne würde sie
früher oder später unterliegen – was blieb ihr, wenn
sie nun auch noch aus R’Frow verbannt wurde? Sie konnte bei
Kelovar bleiben – auch dann noch, wenn er dahinterkam, daß
sie eine Ausgestoßene war, daß die Stadt, für die er
mit Leib und Seele kämpfte, diese Glasbläserin
verstoßen hatte?
Außerdem wollte sie gar nicht bei Kelovar bleiben.
Die Metalltür fühlte sich fest und stark an. Dennoch war
sie Zeuge gewesen, wie sich solches Metall von einem Augenblick auf
den anderen aufgelöst hatte, wie es verschwunden war, als
wäre es nie dagewesen – auf Geheiß von Grax. Ob die
Geds die ganze Stadt verschwinden lassen konnten?
Die Vorstellung raubte ihr einen Moment lang den Atem. Aber das,
was sie inzwischen in der Unterrichtshalle gelernt hatte, gab ihr
zumindest ein sicheres Gefühl für das Ausmaß der
beteiligten ›Zwänge‹. Sie konnten es!
Wenn sie wollten.
Jehanna war auf dem Weg zum Badehaus; sie kam vom Übungsplatz
– einem weiten, baumlosen Areal zwischen der Halle der
Kriegerinnen und der steilen, glatten Klippe der Stadtmauer. Sie
pfiff vergnügt vor sich hin. Sie war tüchtig verschwitzt
und schmutzig, und in ihren Muskeln pulsierte die behagliche
Wärme eines zünftigen Trainings. Im Kampf mit der neuen
Waffe war sie die Beste gewesen. Belasir höchstpersönlich
hatte sie gelobt; kurz danach war die Oberkommandierende
plötzlich vom Platz gerufen worden. Dabei war Belasir noch nicht
mal besonders gut gewesen in der Handhabung der Dreikugel –
jedenfalls nicht im Vergleich zu Jehannas Höchstform –, an
der sie noch arbeitete. Sie würde die Beste werden. Und sie
würde Talot auf die Sprünge helfen, bis sie beide eben gut
waren. Sie und Talot – die Besten! Noch ein Zehnzyklus, und sie
würden selbst Dahar hinter sich lassen.
Die dreiäugigen Ungeheuer hatten am Ende doch Anstand
bewiesen. Dreiäugig, Dreikugel… sie malte sich eben einen
haarlosen gräulichen Ged mit drei Eiern aus. Jehanna grinste.
Das mußte sie unbedingt Talot erzählen – nachher,
wenn die Schwester vom Wachdienst kam.
Das Badehaus war leer. Jehanna zog sich aus und stieg in den
künstlichen Teich, der mit Wroff ausgeschlagen war und laufend
durch irgendeinen warmen unterirdischen Fluß gespeist wurde.
Vielleicht hatten die Geds diesen Fluß auch selbst angelegt.
Jehanna war das egal. Sie machte es sich bequem. Die Bäder waren
eine feine Sache, und dieses verrückte R’Frow war besser,
als sie gedacht hatte. Liebevoll beäugte sie die Dreikugel am
Rand des Teichs.
Wieso war man in Jela nie auf so eine Idee gekommen? Diese Waffe
war längst nicht so kompliziert wie die meisten anderen
Geräte der Geds. Drei Kugeln aus irgendeinem schweren Metall,
die eine leichter als die beiden anderen, zusammengehalten durch
Lederriemen, die nach Aussage der Geds ganz bestimmte Längen
hatten. Die Waffe war natürlich nicht
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