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French 75: Ein Rostock-Krimi

French 75: Ein Rostock-Krimi

Titel: French 75: Ein Rostock-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard R. Roesch
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sie Schrott. Wie sollte er damit etwas anfangen können?
    Über den letzten Punkt schmunzelte er, hatte der Killer zu Tina Schneider doch selbst gesagt, er lebe nicht auf großem Fuße, nur auf Nummer dreiundvierzig. War das aber nicht eine sehr eigenwillige Formulierung? Pawel ärgerte sich, weil er sich in den Feinheiten der deutschen Sprache doch nicht so gut auskannte, um zu wissen, ob an dieser Formulierung etwas Besonderes dran war. Oder nicht.
    Hätte er doch nur Kontakt zu seiner Ehefrau. Sie könnte ihm jetzt gut helfen. Er hörte sich den Mitschnitt mit Hilfe des PCs noch einmal an und achtete nun auf die bunten Linien, die steil anstiegen und abfielen. Die Spitzen nahm er für Aufregungen. Pawel schaltete die grüne Linie aus und konzentrierte sich auf die gelbe, die für männlich stand.
    Dreimal war die Stimme nach oben geschossen.
    Einmal als Tina Schneider ihm Straße und Hausnummer gab, dann als sie ausplauderte, dass sie mit ihrem Sohn Björn alleine lebte. Doch am höchsten war die Spitze da, wo der Killer fragte: »Wirklich?«
    Tina Schneider hatte ihm gerade gesagt, dass sie in Rostock wohnte.
    Was hatte das zu bedeuten? Pawel starrte diese höchste Spitze an. Verband den Mann etwas mit Rostock? War er hier oft zu Besuch? Arbeitete er auf einer der Fähren? Oder wohnte der Killer etwa hier?
    Pawel fiel ein, dass die Polizei den Täter nicht gefasst hatte, obwohl sie nur vierzig Minuten nach dem Mord an Tina Schneider die ganze Stadt abgesperrt hatte. Sollte der Meistermörder sogar hier leben? Als Callcenter-Agent? Das würde die Suche ungemein einschränken. Pawel bräuchte sich nur die etwa zweitausendzweihundert Agenten der neunzehn Rostocker Callcenter vornehmen. Pawel lachte: Nur!
    Der Killer kannte Rostock also gut, oder er hatte gute Erinnerungen an die Seestadt und lebte jetzt woanders. Pawel kniff die Augen zusammen. Schade, dass diese Nummern nicht zurückzuverfolgen waren!
    Erneut hörte er sich den Mitschnitt an und konzentrierte sich diesmal auf den Klang der Stimme. Was verriet er ihm? Jeder Mensch hatte einen unverwechselbaren Klang in seiner Stimme. Er war wie ein Fingerabdruck. Es gab keine stimmlichen Frequenzen zweier Menschen, die sich überlagerten, die moderne Technik konnte die Stimme einem Menschen wie einen Fingerabdruck zuordnen, wenn die Techniker diesen Menschen kannten.
    Als Beweis konnte dieser Mitschnitt nicht gelten, meinte Pawel, weil der Anrufer ja nichts Unrechtes sagte oder andeutete. Es klang mehr wie ein Flirt. Als wollte der Mann der allein lebenden Frau ein Date abgewinnen. Ein Blind Date. Der Klang seiner Stimme war sympathisch, freundlich, aber auch kühl, und Pawel dachte: Nett ist die kleine Schwester von scheiße.
    Pawel fuhr den Computer herunter, zog die Jalousien zu und legte sich in den billigen Wippsessel, den er beim Bezug des Büros selbst zusammengebaut hatte. Er schloss die Augen und versenkte sich in seine Vergangenheit. Nach und nach ging er die sieben Fischtrawler durch, auf denen er gefahren war. Jeden Hochseefischer zog er aus dem Gedächtnis und rekapitulierte den Klang seiner Stimme. Auf keinen Fall klang die Stimme des Agenten wie die der vielen Männer, die zu Hause ihre Frauen vergewaltigten und zusammenschlugen. Sie klang überhaupt nicht wie eine der Stimmen der Arbeiter, die mit den Händen sprachen. Er musste höher gehen. Vielleicht zu den Technikern? Aber die benutzten gerne Fremdwörter, um anzugeben und sich abzuheben. Musste er etwa noch weiter hinauf? Wo man keine Fremdwörter mehr brauchte, um etwas darzustellen? Auf die Brücke? War es am Ende ein Studierter?
    Pawel fand sich auf der Brücke der »Saudade« wieder, eines portugiesischen Trawlers, der aus dem Nachlass der untergegangenen DDR stammte, als er auf einen jungen Mann aufmerksam wurde, der sich immer im Hintergrund gehalten hatte. Er war Dritter Offizier gewesen. Er war verdammt jung und verdammt ehrgeizig, aber auch schlau genug, sich nicht in den Vordergrund zu spielen. Auch dieser Mann war ein Angler, der lieber abwartete, als auf die Suche zu gehen.
    Er hatte sein Privatleben immer geheim gehalten, natürlich hatten alle geglaubt, er wäre homosexuell, aber ob er es wirklich war, konnte niemand mit Sicherheit sagen. In den Verladehäfen hatte er sich jedenfalls wie alle anderen auch Huren auf die Kajüte bestellt. Aber dieser Typ hatte etwas, das ihn von anderen abhob. Er hatte ein breites Wissen, nutzte es aber nur in den wichtigen Augenblicken. Er hatte vor

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