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French 75: Ein Rostock-Krimi

French 75: Ein Rostock-Krimi

Titel: French 75: Ein Rostock-Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard R. Roesch
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der Offiziersausbildung jahrelang studiert, aber dieses Studium nie abgeschlossen, weil er sich als Mann mit einem großen Problem erkannte hatte. Pawel konzentrierte sich so sehr, dass ihm die Stirnhaut schmerzte, während er versuchte, sich an das einzige Gespräch mit diesem Dritten Offizier zu erinnern. Was hatte er nur gehabt? Was für ein Problem? Ein Syndrom, es hatte lustig geklungen! Auf jeden Fall war es etwas, das Pawel Höchst auf Anhieb verstanden hatte. Der Dritte hatte es in einfachen Worten erklärt, weil es im Grunde ein sehr einfacher Defekt war. Peter Pan! Es hieß: Peter-Pan-Syndrom!
    Pawel riss die Augen auf und sagte es laut vor sich hin: »Peter-Pan-Syndrom, kurz PPS!«
    Er schlug mit der Faust auf den Tisch, hievte sich aus dem niedrigen Sessel. Da rief ein Peter Pan an und brachte Frauen um! Er hielt sich für unbesiegbar. Pawel ging zur Toilette, wo er die Handgelenke unter den kalten Wasserstrahl hielt und sich im Spiegel angrinste. Zurück im Büro fingerte sein altes Handy aus der Innentasche der Jacke. Hatte er etwa noch die Nummer von diesem Dritten Offizier? Das wäre doch zu gut! Warum sollte er nicht auch einmal Glück bei Ermittlungen haben? Er klickte sich durch das elektronische Adressbuch, fand den Namen aber nicht wieder. Dieser Mann war zu unauffällig gewesen, als dass Pawel auf die Idee gekommen wäre, sich seine Nummer geben zu lassen. Sie hatten nur ein einziges Mal miteinander gesprochen, aber dieses Gespräch war ihm immerhin im Gedächtnis geblieben. Er konnte seiner Liste über den Meistermörder also noch einen Punkt hinzufügen: Unauffälligkeit.
    Pawel musste nicht lange im Internet suchen, um eine informative Seite zu finden. Der US-Amerikaner Dan Kiley hatte ein Buch über das Peter-Pan-Syndrom geschrieben. Pawel sah sich das Inhaltsverzeichnis an: Kapitel vier: Abneigung gegen Verantwortung, Kapitel fünf: Angst, Kapitel sechs: Einsamkeit, Kapitel sieben: Der sexuelle Rollenkonflikt, Kapitel acht: Narzissmus, Kapitel neun: Chauvinismus, Kapitel zehn: Die Krise: Die Unfähigkeit zu sozialem Verhalten, Kapitel elf: Jenseits des dreißigsten Lebensjahres: Verzweiflung.
    Verzweifelt war der Meistermörder auf keinen Fall, überlegte Pawel, also war er noch unter dreißig. Sofort korrigierte er seine Liste: Alter zwischen zwanzig und dreißig.
    Alleine diese Kapitelüberschriften, klangen sie nicht nach einem absoluten Psychopaten? Pawel Höchst schüttelte den Kopf, ehe er alle Stichworte seiner Liste hinzufügte.
    Dann fiel ihm ein, dass dieser junge Dritte Offizier ihm ein Geheimnis anvertraut hatte. Er hatte es das Schlüsselerlebnis genannt, es war eine so schreckliche Beichte gewesen, dass Pawel Höchst sie verdrängt hatte. Jetzt jedoch hörte er wieder jedes Wort dieses unglücklichen Peter Pans: »Wir fuhren zu mir, obwohl ich es nicht wollte. Ich hatte ja meine Clara, mit der ich mich eben erst sogar verlobt hatte. Sie war sechzehn, ich war einundzwanzig. Aber Claudia konnte mich ja an diesem Abend nicht in Ruhe lassen. Ich war noch nie so betrunken gewesen. Wir hatten alle im besetzten Jugendhaus gefeiert. Jede Menge Punks waren da, und wir warteten eigentlich alle auf die Nazis, um uns zu prügeln. Oder auf die Bullen. Aber in dieser Nacht ließen sie uns in Ruhe. Aber Claudia ließ mich leider nicht in Ruhe. Weißt du, sie war gerade achtzehn geworden und blühte wie ein ganzer Tropenwald. Sie war einfach das schönste Mädchen weit und breit. Die herrlichsten Brüste, der geilste Arsch, das faszinierendste Gesicht, das du dir vorstellen kannst. Sie genoss ihre kleine, private Revolution. Eine Tochter von Millionären, die die Punks geil fand, weißt schon! An diesem Abend hatte sie beschlossen, es mit dem hässlichsten, dem schüchternsten, dem besessensten Typen zu treiben, der sich im besetzten Haus herumtrieb. Das war ich. An diesem Abend trank ich Gin aus der Flasche, wie ein Verrückter, Clara hatte von mir die Schnauze voll und ging nach Hause. Ich war zu besoffen, als Claudia mit dem Bier kam. Sie zog mich auf die Tanzfläche, ihre Brüste an mich gedrückt, meine Hände auf ihrem Arsch, mein Schwanz an ihrer Hüfte, ich gab viel zu schnell auf. Sie aber war noch so nüchtern, dass wir mit ihrem Auto zu mir fuhren. Ihre Eltern waren nämlich verdammt reich, weißt schon, sie war es gewohnt, alles zu bekommen, und genau das machte mich in ihrem teuren Auto auch so verdammt wütend. Ich hatte nichts! Ich nahm mir schon auf der Fahrt vor, diese

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