French 75: Ein Rostock-Krimi
gehört. Sie haben ja in Rostock schon für Wirbel gesorgt. Sie haben vierzig Minuten, wenn Sie mir schwören, uns alles zu sagen, was Sie feststellen! In Rostock hält man große Stücke auf Sie, und wir nehmen jede Hilfe, die sich als hilfreich erweist.«
»Verstehe, ich bin Ihnen so dankbar!«, sagte Pawel, ehe er eine Visitenkarte zugesteckt bekam: »Darüber reden wir heute Abend bei mir um zwanzig Uhr!«
Pawel nickte und bekam vom Beamten ein Vollkörperkondom verpasst: einen dünnen, weißen Anzug mit Schuhen, Handschuhen und Kapuze. Wie ein Marsmensch kam er sich vor, als er steif zum Haus stolzierte.
Er konnte sich nicht einmal Notizen machen! Pawel durfte sich alles ansehen, aber er durfte nichts anfassen. Mehr hatte er auch gar nicht vor: sehen und verstehen.
Der junge Beamte blieb dicht hinter ihm, um jeden seiner Schritte zu überwachen. Für Pawels Gefühl ein wenig zu dicht, aber das wollte er jetzt unterdrücken. Er hatte die Chance, den Fehler des Meistermörders zu finden. Es gab kein fehlerloses Verbrechen, und er wusste schließlich, wonach er suchen musste. Pawel nickte seinem Begleiter zu, der für ihn die Haustür öffnete.
Still war es hier, kein Hinweis, dass Pawel sich in einer europäischen Metropole befand. Damit hatte der Privatdetektiv nicht gerechnet. Als wäre er mitten in einem Wald, nur ohne Vögel, meinte er, nachdem der Polizist die Haustür geschlossen hatte.
XXVI
In der ersten Etage gab es vier kleinere Schlafzimmer, die zweite aber bestand aus einem einzigen Raum, der an beiden Längsseiten je drei Doppelfenster hatte. Die Querseiten hatten je eins. Dieser Raum diente als Arbeitszimmer, Pawel blickte sich erst einmal nur flüchtig um und ging wieder hinunter. Neben der Küche im Erdgeschoss war der Fernsehraum. Außerdem befand hier unten das Bad.
»Ich bleibe immer in Ihrer Nähe, bitte fassen Sie nichts an«, sagte der junge Beamte: »Sie müssen mir alles sagen, was Ihnen spanisch vorkommt.«
»Mongolisch.«
»Bitte?«
»Wir Russen sagen nicht spanisch, wir sagen mongolisch.«
»Verstehe. Auf einmal wollen Sie Russe sein.«
»Nordrusse.«
Das weiße Ledersofa war mit Blut besudelt. Pawel stellte sich ans Kopfende und sah hoch: »Das Opfer hat seinen Mörder gesehen. In der Fensterscheibe da.«
»Ja, das haben wir schon festgestellt. Da dürfte es aber bereits zu spät gewesen sein.«
»Die Grimasse des Todes«, sagte Pawel. Er ging in die Küche, prüfte die Küchentür, die verschlossen war, und fragte: »Aber wie kam der Täter rein? Das ist wieder die große Frage. Die Haustür war verschlossen?«
»Der Schlüssel steckte zudem von innen. Das ist uns allen ein Rätsel. Kannte auch dieses Opfer seinen Mörder? Wir wissen es nicht.«
»Und wo ist der Hund?«
»Welcher Hund?«
Pawel deutete auf einen der Vorratsschränke: »Ihr werdet doch wohl die Büchsen da gesehen haben.«
Der junge Beamte schüttelte den Kopf und zückte sein Handy: »Polizeianwärter Hilbig. Meldung vom Tatort: Das Opfer hatte einen Hund. Hier sind lauter Büchsen mit Hundenahrung. – Danke. – Ja, Chef, wird sofort erledigt. Ich gebe es weiter.«
Kurz darauf sprach er erneut ins Handy: »Theo, ja, wir haben eine Spur!«
»Langsam, langsam!«, mischte sich Pawel ein, aber der Polizeianwärter hörte nicht auf ihn und fuhr fort: »Befrag die Kinder, ob sie ihren Hund mitgenommen haben. Oder ob sie wissen, wo der Hund sich zu Zeit aufhält.«
Pawel lachte und schlug dem jungen Schwulen freundschaftlich auf die Schulter: »Wo sich der Hund zu Zeit aufhält, das klingt gut!«
»Danke!«, sagte der junge Mann nüchtern. »Wir werden wahrscheinlich den Garten umgraben.«
Pawel nickte und verließ die Küche. Er warf lieber keinen Blick in die Kinderzimmer der Jungs und stieg nach oben.
Die Hälfte des Arbeitszimmers war in eine Bibliothek umgewandelt worden: Regale standen nicht nur an den Wänden, sondern auch in Reih und Glied mitten im Raum. Die andere Hälfte wurde von einem modernen Schreibtisch dominiert, hinter dem sich eine altmodische Glasvitrine befand. Pawel sah sich den ergodynamischen Arbeitsstuhl genauer an, eher aus Neugierde, bevor er die Balkontür öffnete. Er untersuchte sie von innen und außen, fand aber auch an ihr keine Einbruchsspuren, nicht den kleinsten Kratzer. Wie war der Typ hier hereingekommen? Wie kam er nur immer in die Wohnungen und Häuser der Opfer? Was hatte er für eine Masche? Mimte er den Vertreter? Aber die Frau hatte ausgestreckt auf
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