French, Tana
leuchten,
roter Mund und weiße Haut und goldene Sommersprossen. Das halbe Viertel stand
auf Rosie Daly, und sie war umso begehrenswerter, weil es ihr schnurzegal war;
sie bildete sich trotz allem nicht ein, was Besonderes zu sein. Sie hatte
Kurven, von denen einem schwindelig wurde, und sie trug sie so beiläufig wie
ihre Flickenjeans.
Lassen Sie
mich Ihnen zeigen, wie Rosie war, damals, als die Nonnen halb so hübsche
Mädchen davon überzeugt hatten, dass ihre Körper eine Kreuzung aus Sündenpfuhl
und Banktresor waren und Jungs dreckige kleine Einbrecher. An einem
Sommerabend — wir waren zwölf und hatten noch gar nicht kapiert, dass wir
ineinander verliebt waren — spielten wir beide
Ich-zeig-dir-meins-zeig-du-mir-deins. Ich hatte bis dahin nie eine nackte Frau
gesehen, höchstens mal ein Dekollete in Schwarzweiß, und dann auf einmal warf
Rosie ihre Sachen in eine Ecke, als wären sie ihr bloß im Weg, und drehte sich
in dem dämmrigen Licht von Nummer 16 im Kreis, die Handflächen nach oben,
leuchtend, lachend, fast zum Greifen nah. Noch heute verschlägt es mir bei der
Erinnerung den Atem. Ich war zu jung, um überhaupt zu wissen, was ich
eigentlich von ihr wollte, ich wusste nur, dass nichts auf der Welt, nicht
einmal die Mona Lisa, die mit dem Heiligen Gral in der einen Hand und einem
Lottoschein mit sechs Richtigen in der anderen durch den Grand Canyon spaziert,
jemals so schön sein könnte.
Kevin
sagte leise zur Decke: »Wir haben uns zuerst gar nichts weiter gedacht. Als
Shay und ich wach wurden, haben wir gesehen, dass du nicht da warst, klar, aber
wir dachten einfach, du hättest irgendwo hingemusst. Als wir dann beim
Frühstück saßen, kam Mrs Daly reingestürmt und wollte zu dir. Als wir gesagt
haben, du wärst nicht da, hat sie fast einen Herzinfarkt gekriegt - Rosies
Sachen waren alle weg, und Mrs Daly hat geschrien wie am Spieß, du wärst mit
ihr durchgebrannt oder hättest sie gekidnappt, keine Ahnung, was sie noch
alles vom Stapel gelassen hat. Dad hat angefangen zurückzubrüllen, und Ma ist
dazwischengegangen, weil sie Angst hatte, alle Nachbarn würden es mitkriegen -«
»War
bestimmt ein Kinderspiel«, sagte ich. Mrs Daly ist Ma auf Speed.
»Ja, kann
man wohl sagen. Und dann hörten wir jemanden auf der Straße rumschreien, und
ich und Jackie sind nachsehen gegangen. Mr Daly war dabei, den Rest von Rosies
Klamotten aus dem Fenster zu schmeißen, und alle Nachbarn kamen raus, um
nachzusehen, was da los war ... Ehrlich gesagt, ich fand das alles zum Brüllen
komisch.«
Er
grinste. Ich musste auch grinsen. »Ein Jammer, dass ich das verpasst hab.«
»Das
kannst du wohl sagen. Die Frauen wären fast aufeinander losgegangen. Mrs Daly
hat dich einen Lump genannt, und Ma hat Rosie als Schlampe bezeichnet, wie die
Mutter, so die Tochter. Mrs Daly ist vollends durchgedreht.«
»Also, da
würde ich mein Geld auf Ma setzen. Gewichtsvorteil.«
»Lass sie
das bloß nicht hören.«
»Sie
brauchte sich bloß auf Mrs Daly zu setzen, bis die aufgibt.«
Wir
lachten beide, leise im Dunkeln, wie zwei Kinder. »Aber Mrs Daly war
bewaffnet«, sagte Kevin. »Diese Fingernägel -«
»Scheiße,
ja. Hat sie die immer noch?«
»Länger.
Sie ist ein menschlicher — wie heißen die Dinger noch?«
»Gartenrechen?«
»Nein!
Diese Ninja-Dinger. Wurfsterne.«
»Und, wer
hat gewonnen?«
»Ma, mehr
oder weniger. Sie hat Mrs Daly raus auf die Treppe geschubst und die Tür
zugeknallt. Mrs Daly hat gebrüllt und gegen die Tür getreten und so, aber
irgendwann ist sie abgezogen. Sie ist los und hat sich stattdessen mit Mr Daly
wegen Rosies Sachen gefetzt. Die Leute haben praktisch Eintrittskarten
verkauft. Es war besser als Dallas.«
In unserem
früheren Zimmer bekam Dad einen so heftigen Hustenanfall, dass das Bett gegen
die Wand schepperte. Wir erstarrten und horchten. Mit langen Keuchern kam er
wieder zu Atem.
»Jedenfalls«,
sagte Kevin nun leiser, »irgendwann war dann Schluss. Die Leute haben noch gut
zwei Wochen drüber getratscht, und dann geriet die Sache in Vergessenheit,
mehr oder weniger. Ma und Mrs Daly haben ein paar Jahre kein Wort miteinander
geredet - Dad und Mr Daly haben ja sowieso nie miteinander geredet, also hat
sich für die beiden eigentlich nichts geändert. Ma hat jedes Jahr zu
Weihnachten getobt, wenn du keine Karte geschickt hast, aber ...«
Aber es
waren die achtziger Jahre, und Auswanderung war eine der drei
Hauptzukunftschancen, neben Daddys Firma und Arbeitslosigkeit. Ma
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