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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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sagte ich. »Ich bin noch dabei, das rauszufinden.
Morgen müsste ich mehr wissen.«
    Schweigen.
Ich dachte, Liv wäre sauer, weil ich so zugeknöpft war, aber dann sagte sie:
»Und du, Frank? Ist mit dir alles in Ordnung?«
    Ihre
Stimme klang weicher. Eine besorgte Olivia war nun wirklich das Allerletzte,
was ich an dem Abend gebrauchen konnte. Es umrieselte meine Knochen wie Wasser,
wohltuend und trügerisch. »Es ging mir nie besser«, sagte ich. »Ich muss
auflegen. Gib Holly morgen früh einen Kuss von mir. Ich ruf dich im Laufe des
Tages an.«
    Kevin und
ich machten das Sofabett und legten uns Kopf an Fuß, damit wir uns wie zwei
Partylöwen fühlen konnten, die nach einer wilden Nacht ihren Rausch
ausschliefen, statt wie zwei kleine Jungs, die sich eine Matratze teilten. Wir
lagen da, in dem schwachen Muster aus Licht, das durch die Gardinen fiel, und
lauschten den Atemzügen des anderen. In der Ecke schimmerte Mas
Herz-Jesu-Statue schaurig rot. Ich stellte mir Olivias Gesichtsausdruck vor,
wenn sie die Statue je zu Gesicht bekäme.
    »Es ist
schön, dich zu sehen«, sagte Kevin leise, nach einer Weile. »Weißt du das?«
    Sein
Gesicht lag im Schatten. Ich konnte nur seine Hände auf der Bettdecke sehen,
wie er geistesabwesend mit einem Daumen über einen Knöchel rieb. »Ich find's
auch schön, dich zu sehen«, sagte ich. »Du hast dich gut gemacht. Ich komm gar
nicht drüber weg, dass du größer bist als ich.«
    Belustigtes
Schnauben. »Ich würde mich trotzdem nicht mit dir anlegen wollen.«
    Ich lachte
auch. »Sehr vernünftig. Ich bin nämlich inzwischen Experte im Nahkampf.«
    »Ehrlich?«
    »Nein. Ich
bin Experte in Papierkram und darin, mir Ärger vom Hals zu halten.«
    Kevin
rollte sich auf die Seite, damit er mich sehen konnte, und schob einen Arm
unter den Kopf. »Kann ich dich was fragen? Wieso bist du zur Polizei gegangen?«
    Polizisten
wie ich sind der Grund, warum du niemals da eingesetzt wirst, wo du herkommst.
Wenn man es genau nimmt, war wahrscheinlich jeder, mit dem ich aufgewachsen
bin, auf die eine oder andere Art ein Kleinkrimineller, nicht aus
Schlechtigkeit, sondern weil man nur so über die Runden kam. Die Hälfte der
Leute vom Faithful Place kassierte Arbeitslosengeld und verdiente sich schwarz
was nebenbei, vor allem vor Beginn des neuen Schuljahrs, wenn die Kinder Bücher
und Schuluniformen brauchten. Als Kevin und Jackie mal in einem Winter
Bronchitis hatten, brachte Carmel von Dunne's, wo sie arbeitete, Fleisch mit
nach Hause, damit die beiden wieder zu Kräften kamen. Keiner fragte je, womit
sie es bezahlt hatte. Mit sieben Jahren wusste ich bereits, wie sich der
Münzgaszähler manipulieren ließ, damit meine Ma was zu essen kochen konnte. Die
meisten Berufsberater hätten in mir wohl kaum einen Detective in spe gesehen.
»Es hörte sich aufregend an«, sagte ich. »Ganz einfach. Du hast die Chance,
was Spannendes zu erleben, und wirst dafür auch noch bezahlt. Was will man
mehr?«
    »Und? Ist
es aufregend?«
    »Manchmal.«
    Kevin
beobachtete mich abwartend. »Dad ist ausgerastet«, sagte er schließlich. »Als
Jackie es uns erzählt hat.«
    Mein Dad
war ursprünglich Putzer auf dem Bau, aber als wir auf die Welt kamen, war er
längst Vollzeitalkoholiker, der sich nur noch mit krummen Geschäften über
Wasser hielt. Ich glaube, er hätte es lieber gesehen, wenn ich Stricher
geworden wäre. »Tja«, sagte ich. »Das ist bloß das Sahnehäubchen obendrauf.
Jetzt erzähl du mir mal was. Was ist an dem Tag passiert, nachdem ich
abgehauen war?«
    Kevin
drehte sich auf den Rücken und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Hast du
Jackie nie gefragt?«
    »Jackie war
neun. Sie weiß nicht genau, an was sie sich erinnert und was sie sich
einbildet. Sie sagt, ein Arzt in einem weißen Kittel hat Mrs Daly abgeholt,
solche Sachen.«
    »Keine
Ärzte«, sagte Kevin. »Ich hab jedenfalls keine gesehen.«
    Er starrte
an die Decke. Das Licht der Straßenlampe, das durchs Fenster fiel, ließ seine
Augen glitzern wie dunkles Wasser. »Ich erinnere mich an Rosie«, sagte er.
»Ich weiß, ich war noch klein, aber ... Ich erinnere mich ganz deutlich, weißt
du? An ihre Haare und dieses Lachen, und an ihren Gang ... Rosie war hübsch,
richtig hübsch.«
    Ich sagte:
»Ja, das war sie wirklich.« Dublin war damals überall bloß braun und grau und
beige, und Rosie war ein Dutzend leuchtender Farben: wilde kupferrote Locken
bis hinab zur Taille, Augen wie grüne Glassplitter, die im Licht

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