French, Tana
selbst zu beweisen, dass er immer noch Rückgrat
besaß. »Ganz, wie Sie wollen«, sagte ich. »Und, Stephen?« Er hielt den Kopf
gesenkt, während er in seinen Taschen kramte. »Detective. Ich möchte, dass Sie
mich ansehen.« Ich wartete, bis er nachgab und mir widerwillig in die Augen
sah, ehe ich sagte: »Sie haben ausgezeichnete Arbeit geleistet. Ich weiß, wir
wollten beide nicht, dass es so endet, aber ich kann Ihnen versichern, dass ich
das nicht vergessen werde. Wenn ich mal was für Sie tun kann - und irgendwann
wird der Fall eintreten -, können Sie auf mich zählen.«
»Wie
gesagt. Ich kann für mich selbst zahlen.«
»Das weiß
ich, aber ich lege auch Wert darauf, meine Schulden zu begleichen, und ich bin
Ihnen was schuldig. Es war ein Vergnügen, mit Ihnen zu arbeiten, Detective. Ich
freue mich auf das nächste Mal.«
Ich
versuchte nicht, ihm die Hand zu schütteln. Stephen warf mir einen finsteren
Blick zu, der nichts verriet, knallte einen Zehner auf den Tisch - was für
jemanden mit Anfängergehalt tatsächlich eine große Geste war — und zog seine
Jacke an. Ich blieb, wo ich war, und ließ ihm seinen demonstrativen Abgang.
Und dann
war ich wieder da, wo ich nur eine Woche zuvor gewesen war - vor Livs Haus, um
Holly fürs Wochenende abzuholen. Es kam mir vor, als lägen Jahre dazwischen.
Olivia
trug ein dezentes karamellfarbenes Teil statt des dezenten schwarzen Kleides
von letzter Woche, aber die Botschaft war dieselbe: Pseudo-Pädo Dermo war im
Anmarsch, und seine Chancen standen nicht schlecht. Diesmal jedoch blockierte
sie nicht die Tür, sondern öffnete sie weit und zog mich rasch in die Küche.
Als wir noch verheiratet waren, graute mir vor Livs »Wir müssen
reden«-Signalen, aber heute waren sie mir sogar ganz lieb. Sie waren auf jeden
Fall besser als ihre »Ich hab dir nichts mehr zu sagen«-Nummer.
Ich
fragte: »Ist Holly noch nicht fertig?«
»Sie ist
im Bad. Heute konnte jeder in Sarahs Hiphop-Kurs noch jemanden mitbringen. Sie
ist gerade erst nach Hause gekommen, völlig verschwitzt. Sie kommt gleich
runter.«
»Wie
geht's ihr?«
Olivia
seufzte und strich mit einer Hand leicht über ihre tadellose Frisur. »Ich
denke, es geht ihr so einigermaßen. Jedenfalls unter den gegebenen Umständen.
Letzte Nacht hatte sie einen Albtraum, und sie ist ziemlich still, aber sie
wirkt nicht ... ich weiß nicht. Die Hiphop-Stunde hat ihr jedenfalls Spaß
gemacht.«
Ich sagte:
»Isst sie?« Nach meinem Auszug war Holly eine Zeitlang in den Hungerstreik
getreten.
»Ja. Aber
sie ist keine fünf mehr. Mittlerweile zeigt sie ihre Gefühle nicht mehr so
offen. Das heißt nicht, dass keine da sind. Würdest du versuchen, mit ihr zu
reden? Vielleicht kannst du besser abschätzen, wie sie mit allem fertig wird.«
»Also
behält sie manches für sich«, sagte ich, aber nicht annähernd so gehässig, wie
ich es hätte sagen können. »Ich frage mich, woher sie das hat.«
Olivias
Mundwinkel verkrampften sich. »Ich hab einen Fehler gemacht. Einen schlimmen
Fehler. Ich habe ihn zugegeben und mich dafür entschuldigt, und ich tue, was
ich kann, um ihn wiedergutzumachen. Glaub mir: Ich fühl mich auch so schon
schlecht genug, weil sie verletzt wurde, egal, was du sagst.«
Ich zog
einen Küchenhocker heran und ließ mich schwerfällig darauf nieder - diesmal
nicht, um Olivia zu ärgern, sondern weil ich so erledigt war, dass mir schon
eine zweiminütige Verschnaufpause in einem Raum, der nach Toast und Erdbeermarmelade
roch, wie ein Riesengenuss vorkam. »Menschen verletzen sich gegenseitig. So
ist das nun mal. Zumindest wolltest du etwas Gutes erreichen. Das kann nicht
jeder von sich behaupten.«
Die
Verkrampfung hatte sich runter zu Livs Schultern ausgedehnt. Sie sagte:
»Menschen müssen sich nicht notwendigerweise gegenseitig verletzen.«
»Doch Liv,
sie können nicht anders. Eltern, Paare, Geschwister, alle, wie sie da sind. Je
näher man sich kommt, desto größeren Schaden richtet man an.«
»Okay,
manchmal, ja. Natürlich. Aber so zu tun, als wäre es ein unabänderliches
Naturgesetz - das ist eine faule Ausrede, Frank, und das weißt du auch.«
»Ich will
dir jetzt mal ein schönes kühles Glas Realität einschenken. Die meisten
Menschen genießen es, sich gegenseitig fertigzumachen. Und der kleinen
Minderheit, die sich redlich, aber vergeblich bemüht, das nicht zu tun, kommt
die Welt in die Quere und sorgt dafür, dass sie es trotzdem tut.«
»Manchmal«,
sagte Olivia unterkühlt,
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