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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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Schönheit, aber
Jesses, wie sie jetzt aussieht ...«
    »Ein
Kumpel von mir hatte mal was mit ihr«, sagte Shay. »Vor ein paar Jahren. Er hat
mir erzählt, er hat sie ins Bett gekriegt und hatte echt das Gefühl, er sieht
ZZ Top mit Kopfschuss vor sich.«
    Ich fing
an zu lachen, und Jackie brach in eine schrille Schimpfkanonade aus, aber
Carmel fiel nicht mit ein. Mir schien, dass sie die letzte Bemerkung gar nicht
mitbekommen hatte. Sie faltete ihren Rock zwischen den Fingern und starrte
darauf wie in Trance. Ich sagte: »Melly, alles in Ordnung?«
    Sie
blickte erschrocken auf. »Was? Ja. Schon. Es ist bloß ... Ach, ihr wisst schon.
Es ist irgendwie verrückt. Oder?«
    Ich sagte:
»Ja, und wie.«
    »Dauernd
denke ich, wenn ich aufblicke, ist er da, Kevin. Sitzt da gleich unter Shay.
Jedes Mal, wenn ich ihn nicht sehe, habe ich schon auf der Zunge zu fragen, wo
er steckt. Geht euch das nicht auch so?«
    Ich hob
den Arm, nahm ihre Hand und drückte sie. Shay stieß mit unvermuteter Wildheit
hervor: »Das blöde Arschloch.«
    »Was ist
denn in dich gefahren?«, wollte Jackie wissen. Shay schüttelte den Kopf und zog
an seiner Kippe.
    Ich sagte:
»Das würde mich auch interessieren.«
    Carmel
sagte: »Das hat er nicht so gemeint. Ganz bestimmt nicht, oder, Shay?«
    »Denk, was
du willst.«
    Ich sagte:
»Tu doch einfach so, als wären wir auch alle blöd, und erklär's uns.«
    »Wie
kommst du darauf, dass ich so tun müsste?«
    Carmel
fing an zu weinen. Shay sagte — nicht unfreundlich, aber so, als hätte er es
diese Woche schon hundertmal gesagt: »Ach bitte, Melly. Lass das.«
    »Ich kann
nicht. Können wir nicht einfach nett zueinander sein, nur dieses eine Mal? Nach
allem, was passiert ist? Unser armer kleiner Kevin ist tot. Er kommt
nie wieder. Warum sitzen wir hier und machen uns gegenseitig fertig?«
    Jackie
sagte: »Ach, Carmel, Liebes. Das war doch nur im Spaß. Wir meinen das nicht
so.«
    »Ich
schon«, warf Shay ein.
    Ich sagte:
»Wir sind eine Familie, Melly. So benehmen sich Familien nun mal.«
    »Der
Wichser hat recht«, sagte Shay. »Ausnahmsweise.«
    Carmel
weinte noch heftiger. »Wenn ich dran denke, wie wir letzten Freitag hier
gesessen haben, wir alle fünf... Ich war überglücklich, ehrlich. Ich hätte nie
gedacht, dass es das letzte Mal war, versteht ihr? Ich dachte, es wäre erst der
Anfang.«
    Shay
sagte: »Ich weiß. Aber tu mir bitte einen Gefallen und versuch, dich am Riemen
zu reißen. Mir zuliebe, ja?«
    Sie fing
eine Träne mit einem Fingerknöchel ab, aber es kamen immer mehr. »Gott verzeih
mir, ich hab gewusst, dass Rosie wahrscheinlich irgendwas Schlimmes zugestoßen
war. Das wussten wir doch alle, oder? Aber ich hab einfach versucht, nicht
dran zu denken. Meint ihr, das war die Strafe dafür?«
    Alle
sagten wir wie aus einem Munde: »Ach, Carmel.« Sie versuchte, noch irgendetwas
zu sagen, aber es ging in einer kläglichen Mischung aus Schluchzen und Schniefen
unter.
    Auch
Jackies Kinn begann, leicht zu beben. Jeden Moment würde hier eine einzige
gigantische Heulerei losgehen. Ich sagte: »Wisst ihr, weswegen ich mich
beschissen fühle? Dass ich letzten Sonntag nicht hier war. An dem Abend, als er
...«
    Ich
schüttelte rasch den Kopf, gegen das Geländer gedrückt, und beendete den Satz
nicht. »Das war unsere letzte Chance«, sagte ich in den dämmrigen Himmel
hinein. »Ich hätte hier sein sollen.«
    Der
zynische Seitenblick, den Shay mit zuwarf, machte klar, dass er mir kein Wort
glaubte, aber die Mädchen sahen mich mit großen Augen an und waren gerührt und
mitfühlend. Carmel fischte ein Taschentuch hervor und vertagte ihre restlichen
Tränen auf später, wo ich doch jetzt ihre Zuwendung brauchte. »Ach, Francis«,
sagte Jackie, griff hoch und tätschelte mein Knie. »Wie hättest du das denn
wissen können?«
    »Darum
geht's nicht. Es geht darum, dass ich zweiundzwanzig Jahre mit ihm verpasst
habe, und dann hab ich auch noch die allerletzten paar Stunden mit ihm
verpasst. Ich wünschte bloß ...«
    Ich
schüttelte den Kopf, nahm mit zittrigen Händen eine neue Zigarette und brauchte
ein paar Versuche, um sie anzuzünden. »Egal«, sagte ich nach ein paar tiefen
Zügen, um meine Stimme wieder unter Kontrolle zu bringen. »Na los: Redet mit
mir. Erzählt mir von dem Abend. Was hab ich verpasst?«
    Shay stieß
ein Schnauben aus, was ihm von beiden Frauen wütende Blicke eintrug. »Lass mich
kurz nachdenken«, sagte Jackie. »Es war bloß ein normaler Abend, weißt du?
Nichts

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