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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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liegt bestimmt nicht daran, dass ihr es nicht versucht hättet.«
    Carmel
sagte mit einem unsicheren Seitenblick zu mir, der ihren Satz in eine Frage
verwandelte: »Donna hat Panik, dass sie Holly nie wiedersehen wird.«
    Ich sagte:
»Ich wüsste nicht, wieso.«
    »Francis!
Ist das dein Ernst?«
    »Klar. Ich
bin doch nicht verrückt und reiße neunjährige Mädchen wieder auseinander.«
    »Mensch,
das ist ja prima. Die beiden sind richtig gute Freundinnen, ehrlich. Es hätte
Donna das Herz gebrochen. Heißt das ...?« Kurzes linkisches Nasereiben. Ich
erinnerte mich an diese Geste, von vor einer Million Jahren. »Kommst du dann
auch wieder her? Oder lässt du Holly nur von Jackie herbringen?«
    Ich sagte:
»Ich bin doch hier, oder?«
    »Ja,
stimmt. Und es ist schön, dich zu sehen. Aber bist du ... ? Du weißt schon.
Fühlst du dich jetzt zu Hause?«
    Ich lächelte
zu ihr hoch. »Ich find's auch schön, dich zu sehen, Melly. Ja, ich komme
wieder.«
    »Jesus,
Maria und Josef, und das wurde auch allmählich Zeit«, sagte Jackie und
verdrehte die Augen. »Hättest du dir das nicht schon vor fünfzehn Jahren
überlegen können? Hätte mir 'ne Menge Ärger erspart.«
    »Mensch,
super«, sagte Carmel. »Das ist richtig super, Francis. Ich dachte ...« Wieder
dieses verlegene Reiben. »Okay, vielleicht hab ich das zu dramatisch gesehen.
Ich dachte, sobald hier alles geregelt ist, bist du wieder weg. Endgültig.«
    Ich sagte:
»Das hatte ich vor, ja. Aber ich muss zugeben: Mich von hier loszureißen, fällt
mir doch schwerer, als ich gedacht hätte. Wie du gesagt hast, es tut gut,
wieder zu Hause zu sein.«
    Shays
Augen ruhten auf mir, mit diesem wachen, ausdruckslosen blauen Blick. Ich
erwiderte ihn und packte noch ein breites, entspanntes Grinsen obendrauf. Es
war mir nur recht, dass Shay nervös wurde. Nicht übernervös, noch nicht; nur
ein schillernder Zusatzfaden Beklommenheit, der sich durch seinen bestimmt
schon ziemlich ungemütlichen Abend zog. Vorläufig wollte ich bloß irgendwo tief
in seinem Kopf ein winziges Samenkorn der Erkenntnis pflanzen: Das hier war
erst der Anfang.
    Stephen
stand mir nicht mehr im Weg, und auf Rocky würde das auch bald zutreffen.
Sobald sie sich dem nächsten Fall auf ihrer Liste widmeten, wäre es nur noch
eine Sache zwischen Shay und mir, für immer und ewig. Ich könnte ein ganzes
Jahr damit zubringen, ihn auf und ab hüpfen zu lassen wie ein Jo-Jo, ehe ich
ihm Gewissheit gab, dass ich Bescheid wusste, und noch ein weiteres Jahr damit,
ihm meine vielen interessanten Möglichkeiten anzudeuten. Ich hatte alle Zeit
der Welt.
    Shay
dagegen nicht so viel. Man muss seine Familie nicht mögen, man muss nicht mal
Zeit mit ihr verbringen, um jeden Einzelnen durch und durch zu kennen. Shay war
schon immer leicht reizbar gewesen, er hatte sein ganzes Leben in einem Umfeld
verbracht, das selbst den Dalai Lama in ein sabberndes Nervenwrack verwandelt
hätte, und er hatte Dinge getan, die einem die Albträume von Jahrzehnten um den
Gehirnstamm winden. Er war garantiert nur ein paar Schritte von einem
Nervenzusammenbruch entfernt. Mir haben schon viele Leute bescheinigt - und
etliche von ihnen meinten das tatsächlich als Kompliment -, dass ich ein
Naturtalent darin bin, andere kirre zu machen, und mit Fremden kann man längst
nicht so viel anstellen wie mit der eigenen Familie. Ich war mir beinahe
sicher, dass ich Shay, Zeit und nötiges Engagement vorausgesetzt, dazu bringen
konnte, sich einen Strick um den Hals zu legen, das andere Ende oben ans
Treppengeländer von Nummer 16 zu binden und zu springen.
    Shay hatte
den Kopf nach hinten geneigt und beobachtete mit zusammengekniffenen Augen die
Hearnes, die in ihrer Weihnachtswerkstatt herumhantierten. Er sagte zu mir:
»Klingt, als würdest du dich wieder in der Wirklichkeit einrichten.«
    »Findest
du, ja?«
    »Ich hab gehört, du warst neulich bei Imelda Tierney.«
    »Ich hab hochgestellte Freunde. Du anscheinend ja auch.«
    »Was wolltest du denn von Imelda? Plaudern oder bumsen?«
    »Na, hör mal, Shay, du könntest mir ruhig mehr zutrauen.
    Manche von
uns haben einen besseren Geschmack als du, wenn du verstehst, was ich meine.«
Ich zwinkerte Shay zu und registrierte das kurze Aufblitzen in seinen Augen,
als er anfing, sich zu wundern.
    »Sei
still, du«, sagte Jackie zu mir. »Hör auf zu lästern. Du bist auch kein Brad
Pitt, falls dir das noch niemand gesagt hat.«
    »Hast du
Imelda in letzter Zeit mal gesehen? Sie war schon damals keine

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