French, Tana
Kinn an Kinn. Ich spürte, wie etwas Rotes mich durchfuhr, etwas wie
Freude. Er hatte mehr Mumm als der Uniformierte, oder er wollte auf keinen Fall
vor einem Mackey kneifen, und mir war beides recht. »Was ist da drin? Was habt
ihr gefunden?«
Eine alte
Frau kreischte begeistert, und ein paar von den Jugendlichen in Kapuzenshirts
johlten. Ich sagte, so laut, dass etliche Leute meine Warnung hören konnten:
»Nimm sofort die Hände weg, Mann.«
»Wag es
nicht, du kleines Dreckschwein, wag es nicht, mir zu sagen, ich soll - Ist das
meine Rosie da drin? Ja?«
»Meine Rosie,
Mann. Mein Mädchen. Meins. Ich sag es dir ein letztes Mal: Nimm die Hände weg.«
»Du bist
schuld, du dreckiger kleiner Scheißer. Wenn sie das da drin ist, dann wegen
dir.« Seine Stirn drückte sich gegen meine, und er war so stark, dass mir das
Hemd in den Nacken schnitt. Die Kapuzenshirts skandierten jetzt »Kämpfen!
Kämpfen! Kämpfen!«
Ich packte
sein Handgelenk und wollte es ihm gerade brechen, als ich ihn roch, seinen
Schweiß, seinen Atem: einen heißen, ranzigen, animalischen Geruch, den ich nur
allzu gut kannte. Der Mann hatte Panik, war fast von Sinnen. In dieser Sekunde
sah ich Holly.
Das ganze
Rot wich mir aus den Muskeln. Es fühlte sich an, als wäre etwas zerbrochen,
tief unter meinen Rippen. »Mr Daly«, sagte ich, so sanft ich konnte, »sobald
die irgendwas wissen, sagen sie Ihnen Bescheid. Bis dahin müssen Sie nach
Hause gehen.«
Die
Uniformierten versuchten jetzt, ihn von mir wegzuziehen, mit reichlich
lautstarker ruppiger Untermalung. Keiner von uns beiden störte sich daran. Mr
Daly hatte wilde weiße Ringe um die Augen. »Ist das
meine Rosie?«
Ich schob
den Daumen auf den Nerv in seinem Handgelenk und drückte zu. Er keuchte auf,
und seine Hände sprangen von meinem Kragen weg, doch in der Sekunde, ehe der
zweite Uniformierte ihn wegzerrte, presste er seine Wange an meine und zischte
mir ins Ohr, so nah wie ein Liebhaber: »Du bist schuld.«
Mrs Daly
tauchte aus dem Nichts auf, gab formlose Wimmerlaute von sich und stürzte sich
auf ihn und den Uniformierten. Mr Daly sackte in sich zusammen, und sie schleppten
ihn weg, zurück in die brabbelnde Menge.
Aus
irgendeinem Grund hing der Provinzler hinten an meiner Jacke. Ich stieß ihn
mit dem Ellbogen weg, fest. Dann lehnte ich mich seitlich gegen die Stufen, zog
mein Hemd gerade und massierte mir den Hals. Mein Atem ging keuchend.
»Das hier
wird für Sie noch ein Nachspiel haben«, drohte mir der Provinzler. Er hatte
eine ungesunde lila Färbung angenommen. »Das schwöre ich Ihnen, ich werde
schriftlich Beschwerde einreichen.«
Ich sagte:
»Frank Mackey. Mit E-Y. Sagen Sie denen, sie sollen sie zu den anderen packen.«
Der
Uniformierte stieß ein empörtes altjüngferliches Prusten aus und stakste
davon, um seine Wut an den Schaulustigen auszulassen. Er schnauzte sie an, sie
sollten verschwinden, wedelte hektisch mit den Armen. Mein Blick fiel auf
Mandy mit einem kleinen Mädchen auf der Hüfte und einem an der Hand, drei Paar
runde, bestürzte Augen. Die Dalys wankten die Stufen von Nummer 3 hoch,
aneinandergeklammert, und verschwanden im Haus. Nora stand an die Wand neben
der Tür gelehnt, eine Hand auf den Mund gepresst.
Ich ging
zurück zu Nummer 11, aus Mangel an Alternativen. Shay drehte sich wieder eine
Zigarette. Kevin sah aus, als wate ihm schlecht.
»Sie haben
was gefunden«, sagte er, »stimmt's?«
Der
Rechtsmediziner und der Leichenwagen mussten jede Minute kommen. »Ja«, sagte
ich. »Stimmt.«
»Ist es
...?« Langes Schweigen. »Was ist es?«
Ich holte
meine Zigaretten hervor. Shay hielt mir sein Feuerzeug hin, was wie eine Geste
des Mitgefühls wirkte. Nach einer Weile fragte Kevin: »Alles in Ordnung mit
dir?«
Ich sagte:
»Mir geht's ganz prima.«
Lange Zeit
sagte keiner von uns ein Wort. Kevin nahm eine von meinen Zigaretten. Die Leute
beruhigten sich allmählich und fingen an, sich gegenseitig Geschichten über
Polizeibrutalität zu erzählen und zu erörtern, ob Mr Daly Anzeige erstatten
könnte. Die einen oder anderen unterhielten sich halblaut, und ich erntete so
manchen Blick über die Schulter. Ich starrte jedes Mal unverwandt zurück, bis
ich vor lauter Blicken nicht mehr mitkam.
»Seht euch
vor«, sagte Shay leise, hoch zum schweren Himmel. »Der alte Mackey ist wieder
da.«
6
cooper, der Rechtsmediziner , ein grantiger kleiner Blödmann,
der sich für Gott hält, war als Erster da. Er fuhr in seinem dicken
Weitere Kostenlose Bücher