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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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immer
...«
    »Das ist
das Minimum. Kann sein, dass sie später noch Verstärkung rufen, je nachdem.«
Shay stieß einen langen, gespielt beeindruckten Pfiff aus.
    Es war
lange her, seit ich zuletzt einen Tatort von außerhalb einer Polizeiabsperrung
gesehen hatte, wie ein verdeckter Ermittler im Einsatz oder ein Zivilist. Ich
hatte vergessen, wie es aussieht, wenn die Maschinerie einmal in Gang kommt.
Als die Techniker, von Kopf bis Fuß in ihre weißen Schutzanzüge gehüllt, in der
Hand ihre Koffer mit unheimlichem Trickgerät, sich den Mundschutz aufsetzten,
während sie die Stufen hochstiegen, um dann in Nummer 16 zu verschwinden,
sträubten sich mir die Nackenhaare wie bei einem Hund. Shay
sang leise vor sich hin: »Three big knocks came
knocking at the door, weela weela waile; two policemen and a Special Branch
man, down by the River Saille ...«
    Kaum
hatten die Uniformierten das Flatterband vor dem Haus entrollt, aber noch nicht
befestigt, da hatten die Leute bereits Blut in der Luft gewittert und kamen zum
Probieren. Alte Frauen mit Lockenwicklern und Kopftüchern tauchten in Türen auf
und stapften näher, um sich in Bemerkungen und sensationslüsternen
Spekulationen zu ergehen (»Irgendein junges Ding hat ein Baby gekriegt und es
da abgelegt.« - »Um Gottes willen, wie schrecklich! Da fällt mir ein, Fiona
Molley hat doch so zugenommen, glaubt ihr, sie könnte ... ?«) Männer
beschlossen urplötzlich, auf den Stufen vor dem Haus eine zu rauchen und einen
Blick aufs Wetter zu werfen; pickelige Jungs und pausbäckige Mädchen standen
lässig an der Mauer am anderen Ende der Straße und taten desinteressiert. Eine
Schar kleine Kinder mit geschorenen Haaren sausten auf Skateboards hin und her,
starrten mit offenem Mund auf Nummer 16, bis eins von ihnen mit Sallie Hearne
zusammenstieß und sie ihm einen Klaps auf den Hintern gab. Die Dalys standen
vor ihrer Haustür. Mr Daly hatte einen Arm vor Mrs Daly ausgestreckt, um sie
zurückzuhalten. Die ganze Szene machte mich kribbelig. Ich fühle mich unwohl,
wenn ich den Überblick verliere, wie viele Leute um mich herum sind.
    Die
Menschen in den Liberties hatten schon immer einen Piranha-Instinkt für Klatsch
und Tratsch. Wenn drüben in Dalkey ein Spurensicherungsteam die Stirn gehabt
hätte, ohne offizielle Genehmigung auf der Straße aufzutauchen, hätte sich
niemand dazu herabgelassen, etwas so Vulgäres wie Neugier an den Tag zu legen.
Vielleicht hätte eine unternehmungslustige Seele den jähen Drang verspürt, im
Garten vor dem Haus die Blumen zu stutzen und das, was sie aufschnappte, ihren
Freundinnen beim Kräutertee zu erzählen, aber alles in allem hätten sie die
Geschichte eher am nächsten Morgen aus der Zeitung erfahren. Die Leute am Place
stürzten sich dagegen hemmungslos direkt auf die Informationsschlagader. Die
alte Mrs Nolan hatte einen der Uniformierten fest am Ärmel gepackt und zog ein
Gesicht, als erwarte sie eine vollständige Erklärung. Er sah aus, als hätte ihn
die Grundausbildung auf so etwas nicht vorbereitet.
    »Francis«,
sagte Kevin. »Wahrscheinlich ist es falscher Alarm.«
    »Vielleicht.«
    »Im Ernst.
Ich hab mir das wahrscheinlich eingebildet. Es ist zu spät, um —«
    Shay
fragte: »Was eingebildet?«
    »Nichts«,
sagte ich.
    »Kev.«
    »Nichts. Genau
meine Rede. Ich hab's mir wahrscheinlich eingebildet —«
    »Was suchen
die denn?«
    »Meine
Eier«, sagte ich zu ihm.
    »Hoffentlich
haben sie ein Mikroskop dabei.«
    »Verdammte
Scheiße«, sagte Kev unglücklich, massierte sich eine Augenbraue und starrte auf
die Uniformierten. »Das Spiel gefällt mir nicht mehr, Jungs. Hätte ich doch
bloß ...«
    »Achtung«,
sagte Shay plötzlich. »Ma.«
    Wir drei
rutschten die Stufen hinunter, rasch und perfekt synchron, um hinter der
Menschenmenge in Deckung zu gehen. Ich erhaschte zwischen Körpern hindurch
einen Blick auf Ma: Sie stand auf der Treppe vor unserem Haus, die Arme fest
unter dem Busen verschränkt, und suchte mit Luchsaugen die Straße ab, als
wüsste sie genau, dass dieses Chaos auf mein Konto ging und dass sie mir dafür
die Hammelbeine langziehen würde. Dad, gleich hinter ihr, rauchte eine Zigarette
und schaute sich das Treiben ohne den geringsten Ausdruck an.
    Geräusche
im Haus. Einer der Techniker kam heraus, deutete ruckartig mit dem Daumen über
die Schulter und sagte irgendwas Klugscheißerisches, worüber die Uniformierten
schnaubend auflachten. Er schloss den Van auf, stöberte darin herum und lief
dann

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