Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
Vom Netzwerk:
mit einer Brechstange in der Hand wieder die Stufen hoch.
    Shay
sagte: »Wenn er die da drin benutzt, bricht ihm der ganze Schuppen überm Kopf
zusammen.«
    Kevin
rutschte noch immer nervös auf der Stelle hin und her, als täte ihm von der
Stufe der Hintern weh. »Was passiert, wenn sie nichts finden?«
    »Dann sind
alle sauer auf Francis«, sagte Shay. »Weil er ihre Zeit verschwendet hat. War
das nicht ein Jammer?«
    Ich sagte:
»Danke für deine Besorgnis. Ich komm schon klar.«
    »Ja, ganz
bestimmt. Kommst du ja immer. Was suchen die?«
    »Frag sie
doch.«
    Ein
langhaariger Student in einem Limp-Bizkit-T-Shirt trat hinter uns aus der Tür
von Nummer 1 1 , rieb sich den Kopf und wirkte
beeindruckend verkatert. »Was ist los?«
    Ich sagte:
»Gehen Sie rein.«
    »Das ist
unsere Treppe.«
    Ich zeigte
ihm meinen Ausweis. »Ah, Mann«, sagte er
und verzog sich wieder ins Haus, niedergedrückt von der kolossalen
Ungerechtigkeit dieser Welt.
    »Richtig
so«, sagte Shay, »mach ihm ordentlich Angst mit deiner Polizeimarke«, aber das
war bloß ein Reflex. Seine Augen, gegen das schwindende Licht
zusammengekniffen, waren auf Nummer 16 gerichtet.
    Ein
tosender, tiefer Knall wie ein Kanonenschuss hallte durch die Straße und von
den Häusern wider und weiter über die dunklen Liberties. Die Betonplatte war
gefallen. Nora Daly zuckte zusammen und gab einen kleinen, wilden Laut von
sich. Sallie Hearne zog ihre Strickjacke am Hals fester zu und bekreuzigte
sich.
    In diesem
Moment spürte ich das Vibrieren in der Luft, spürte den Stromstoß, der in den
Tiefen von Nummer 16 begann und sich in Wellen ausbreitete: die Techniker,
deren Stimmen lauter wurden und verklangen, die Uniformierten, die sich
umdrehten und starrten, die Leute, die vorwärtsrückten, die Wolken, die sich
über den Dächern zusammenzogen.
    Hinter mir
sagte Kevin irgendwas mit meinem Namen drin. Ich merkte, dass wir aufgestanden
waren, und er hatte eine Hand auf meinem Arm. Ich sagte: »Lass los.«
    »Frank
...«
    Im Haus
rief irgendwer einen Befehl, ein scharfes, knappes Bellen. Auf einmal war mir
egal, wer wusste, dass ich ein Cop war. »Bleibt, wo ihr seid.«
    Der
Uniformierte, der die Stufen vor dem Haus verteidigte, war dicklich und hatte
ein zickiges Gesicht, wie die Tante von irgendwem. »Weitergehen, Mann«, sagte
er zu mir. Er hörte sich an, als käme er vom Land, irgendein Provinzler. »Hier
gibt's nichts zu sehen.«
    Ich zeigte
ihm meinen Ausweis, den er gründlich studierte. Beim Lesen bewegte er die
Lippen. Schritte auf der Treppe im Haus, ein Gesicht, das am Flurfenster im
ersten Stock vorbeiglitt. Irgendwo rief Mr Daly etwas, doch seine Stimme klang
weit weg und verlangsamt, als würde sie durch ein langes Metallrohr hallen.
    »Der
hier«, sagte der Uniformierte, als er mir den Ausweis zurückgab, »ist von der
Undercoverabteilung. Ich wurde nicht informiert, dass hier Undercoverleute
sind.«
    »Dann
wissen Sie es jetzt.«
    »Sie
müssen mit dem Ermittlungsleiter sprechen. Das könnte mein Sergeant sein, oder
es könnte einer vom Morddezernat sein, je nachdem, was -«
    Ich sagte:
»Gehen Sie mir aus dem Weg.«
    Er spitzte
die Lippen. »Es besteht kein Grund, so einen Ton anzuschlagen. Sie können da
drüben warten, wo Sie waren, bis geklärt ist, ob Sie -«
    Ich sagte:
»Geh mir aus dem Weg, oder ich schlag dir die Zähne ein.«
    Seine
Augen quollen hervor, aber ich meinte es ernst, und er trat beiseite. Er rief
noch hinter mir her, dass er über mich Beschwerde einreichen würde, als ich
schon drei Stufen auf einmal nehmend zur Tür hochsprang und mich an seinem
verdatterten Kollegen vorbei ins Haus drängte.
    Es war
schon irgendwie lustig: Tief in mir hatte ich keine Sekunde geglaubt, dass sie
irgendetwas finden würden. Ich, der mit allen Wassern gewaschene Zyniker, der
ich Neulingen gern mit meinen cleveren Sprüchen komme, von wegen, die Welt ist
immer zwei Schritte grausamer, als du einplanst, glaubte nicht, dass sie zu dem
hier in der Lage wäre. Nicht, als ich den Koffer öffnete, nicht, als ich
spürte, wie die Betonplatte in dem düsteren Keller schaukelte, nicht, als ich
spürte, wie der Stromstoß die Abendluft elektrisierte. Ganz tief in mir, tiefer
als alles, was ich davor oder danach erfahren hatte, glaubte ich Rosie noch
immer. Ich glaubte ihr den ganzen Weg die morsche Treppe hinunter in den
Keller, und ich glaubte ihr, als ich den Kreis maskierter Gesichter sah, die in
dem weißen Licht ihrer Lampen zu mir hochblickten, als

Weitere Kostenlose Bücher