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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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Weltuntergang. Wir haben jede Menge Zeit.«
    Ich sagte:
»Ich weiß. Manche Vermieter werden uns nicht wollen, weil sie uns für Säufer
oder Terroristen halten. Und manche ...« Ich nahm ihre Hände von ihrem Glas und
fuhr mit den Daumen über die Finger: kräftig, schwielig vom Nähen, billige
Straßenstand-Silberringe in Form von keltischen Wirbeln und Katzenköpfen.
»Manche werden uns nicht wollen, weil wir in Sünde leben.«
    Rosie
zuckte die Achseln. »Die können uns auch mal.«
    »Wenn du
willst«, sagte ich, »könnten wir so tun als ob. Uns Ringe besorgen, die
aussehen wie aus Gold, und uns Mr und Mrs nennen. Bloß bis -«
    Sie
schüttelte den Kopf, augenblicklich und heftig. »Nein. Kommt nicht in Frage.«
    »Das wäre
doch nur vorübergehend, bis wir das Geld haben, um richtig zu heiraten. Das
würde uns das Leben wahnsinnig erleichtern.«
    »Egal. Das
täusche ich nicht vor. Entweder man ist verheiratet oder nicht. Es geht nicht
darum, was die Leute denken.«
    »Rosie«,
sagte ich und fasste ihre Hände fester. »Du weißt doch, dass wir heiraten
werden, oder? Du weißt, dass ich dich heiraten will. Das ist mein größter
Wunsch überhaupt.«
    Das
brachte mir die Ansätze eines Lächelns ein. »Das will ich dir auch geraten
haben. Damals, als das mit uns beiden anfing, war ich ein braves Mädchen, wie
die Nonnen es mir beigebracht haben, und was ist aus mir geworden? Ich bin
drauf und dran, wie 'ne Mätresse zu leben —«
    »Ich meine
das ernst. Hör zu. Eine ganze Menge Leute würden dich für verrückt erklären,
wenn sie das mit uns wüssten. Sie würden sagen, die Mackeys sind doch alles
Drecksäcke, und ich würde mir von dir doch bloß holen, was ich haben will, und
dich dann sitzenlassen mit einem Baby am Hals, so dass du gleich in die Liffey
springen kannst.«
    »In die
Themse, meinst du.«
    Ich sagte:
»Ich will damit nur sagen, du wirst es nicht bereuen. Dafür werde ich alles
tun. Das schwöre ich hoch und heilig.«
    Rosie
sagte zärtlich: »Das weiß ich, Francis.«
    »Ich bin
nicht mein Dad.«
    »Wenn ich
das denken würde, wäre ich nicht hier. So, jetzt schwirr ab und besorg uns ne
Tüte Chips. Ich hab Hunger.«
    Wir
blieben an dem Abend im O'Neill, bis alle
anderen weg waren und der Barmann schon anfing, um unsere Füße herum den Boden
zu fegen. Wir tranken jedes Bier so langsam wie möglich, wir redeten über
unverfänglichen, unbeschwerten Alltagskram, wir brachten uns gegenseitig zum
Lachen. Bevor wir nach Hause gingen - getrennt, für den Fall, dass uns jemand
sah, wobei ich Rosie aus sicherer Entfernung im Auge behielt -, küssten wir uns
lange zum Abschied an der hinteren Mauer vom Trinity. Dann standen wir still
da, eng umschlungen, von den Wangen bis zu den Zehen aneinandergepresst. Die
Luft war so kalt, dass sie irgendwo Meilen über uns ein hohes, feinklirrendes
Geräusch machte, wie zerspringendes Kristall. Rosies Atem war rau und warm an
meinem Hals, ihr Haar roch nach Zitronendrops, und ich konnte das Rasen ihres
Herzens spüren, das an meinen Rippen bebte. Dann ließ ich sie los und sah sie
weggehen, ein letztes Mal.
    Natürlich
suchte ich nach ihr. Sobald ich das erste Mal mit einem Polizeicomputer allein
war, ließ ich ihren Namen und ihr Geburtsdatum durchlaufen: Sie war nie in der
Republik Irland verhaftet worden. Das war keine große Offenbarung - ich hatte
nicht erwartet, dass sie Raubüberfälle begehen würde á la Ma Baker -, doch ich
war den Rest des Tages wahnsinnig kribbelig, bloß weil ich einen ersten winzigen
Schritt auf ihrer Fährte gemacht hatte. Je besser meine Kontakte wurden, desto
ergiebiger meine Nachforschungen: Sie war nicht in Nordirland verhaftet
worden, auch nicht in England oder Schottland oder Wales oder in den USA, sie
bezog nirgendwo Sozialhilfe, hatte keinen Pass beantragt, war nicht gestorben,
hatte nicht geheiratet. Ich wiederholte sämtliche Nachforschungen alle zwei
Jahre, wobei ich mich jedes Mal an Kontakte hielt, die mir noch einen Gefallen
schuldig waren. Sie stellten keine Fragen.
    In den
letzten Jahren - nach Hollys Geburt wurde ich milder - hoffte ich mehr oder
weniger, dass Rosie irgendwann auf dem Radar auftauchen würde, dass sie eines
dieser ehrlichen, zufriedenen Leben führte, die niemals vom System erfasst werden,
und sich ab und zu mit einem schmerzlichen kleinen Stich an mich erinnerte als
an denjenigen, der es hätte gewesen sein können. Manchmal stellte ich mir vor,
sie würde mich finden: das Klingeln des Telefons

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