French, Tana
wenn mein Dad in
meinen Sachen stöbert, aber die Schublade mit der Unterwäsche rührt er nicht
an. Gib her.« Sie nahm die Fahrkarten so behutsam, als wären sie aus zarter
Spitze, schob sie vorsichtig wieder in den Umschlag, den sie in die obere
Tasche ihrer Jeansjacke steckte. Ihre Finger blieben einen Moment lang dort,
über ihrer Brust. »Wow. Neun Tage, und dann ...«
»Und
dann«, sagte ich, während ich mein Glas hob, »auf dich und mich und unser neues
Leben.«
Wir
stießen an und tranken einen Schluck, und ich küsste sie. Das Bier schmeckte
saugut, die Wärme im Pub taute mir nach dem Fußweg durch die Stadt langsam die
Füße auf, die Bilderrahmen an den Wänden waren mit Lametta behängt, und die
Studentenclique am Nachbartisch brach in angeheitertes Gelächter aus. Ich
hätte glücklicher sein müssen als jeder andere im ganzen Pub, aber der Abend
hatte noch immer irgendetwas Unsicheres an sich, wie ein blendend schöner
Traum, der sich von einem Augenblick zum nächsten in einen scheußlichen
verwandeln konnte. Ich ließ Rosie los, weil ich fürchtete, ihr weh zu tun, wenn
ich sie zu fest küsste.
»Wir
müssen uns spät treffen«, sagte sie, nahm dann wieder einen Schluck von ihrem
Bier und schob ein Knie über meins. »Mitternacht oder danach. Mein Dad geht
erst um elf ins Bett, und ich muss ihm Zeit zum Einschlafen geben.«
»Sonntags
pennen bei mir alle schon um halb elf. Shay kommt manchmal spät nach Hause,
aber solange ich ihm nicht in die Arme laufe, kein Problem. Und selbst wenn, er
wird uns nicht aufhalten. Der ist froh, wenn ich endlich weg bin.« Rosie ließ
eine Augenbraue hochschnellen und trank wieder einen Schluck Bier. Ich sagte:
»Ich schleich mich gegen Mitternacht aus dem Haus. Wenn es bei dir ein bisschen
länger dauert, kein Problem.«
Sie
nickte. »Dürfte nicht viel später werden. Der letzte Bus ist dann aber schon
weg. Schaffen wir das zu Fuß?«
»Nicht mit
dem ganzen Gepäck. Da würden wir auf dem Zahnfleisch kriechen, bis wir an der
Fähre sind. Wir nehmen ein Taxi.«
Sie warf
mir einen beeindruckten Blick zu, der nur halb gespielt war. »Vornehm.«
Ich
grinste und zwirbelte mir eine ihrer Locken um den Finger. »Ich hab diese Woche
noch ein, zwei Jobs, dann hab ich genug Kohle. Für mein Mädchen nur das Beste.
Ich würde dir ja so eine Stretchlimo bestellen, wenn ich könnte, aber das muss
noch warten. Vielleicht zum Geburtstag, ja?«
Sie
lächelte zurück, aber es war ein abwesendes Lächeln; sie war nicht in Stimmung
für Albernheiten. »Treffen wir uns in Nummer sechzehn?«
Ich schüttelte
den Kopf. »Da hängen in letzter Zeit dauernd die Shaughnessys rum. Ich hab
keine Lust, ihnen in die Arme zu rennen.« Die Shaughnessy-Brüder waren harmlos,
aber sie waren auch laut und doof und meistens bekifft, und es würde zu lange
dauern, ihnen begreiflich zu machen, warum sie die Klappe halten mussten. »Oben
an der Straße?«
»Da wird
man uns sehen.«
»Nicht an
einem Sonntag nach Mitternacht. Wer soll da schon draußen rumlaufen, außer uns
und den Shaughnessy-Blödmännern?«
»Ein
Einziger würde genügen. Und überhaupt, was ist, wenn es regnet?«
Das sah
Rosie gar nicht ähnlich, diese Nervosität; sonst war sie meist die Ruhe selbst.
Ich sagte: »Das müssen wir ja jetzt nicht klären. Wir warten ab, wie sich das
Wetter nächste Woche entwickelt, und entscheiden dann.«
Rosie
schüttelte den Kopf. »Wir sollten uns nicht mehr treffen, bis es losgeht. Ich
will nicht, dass mein Dad Verdacht schöpft.«
»Wenn er
bisher noch keinen geschöpft hat ...«
»Ich weiß.
Ich weiß. Aber ich - Gott, Francis, diese Fahrkarten ...« Ihre Hand glitt
wieder in ihre Tasche. »Wir sind so nah dran. Ich will nicht, dass wir zu
entspannt werden, nicht mal für eine Sekunde, sonst geht noch irgendwas
schief.«
»Was denn
zum Beispiel?«
»Keine
Ahnung. Irgendeiner, der uns aufhält.«
»Keiner
wird uns aufhalten.«
»Ja«,
sagte Rosie. Sie kaute an ihrem Fingernagel, und eine Sekunde lang glitten ihre
Augen von meinen weg. »Ich weiß. Es wird prima laufen.«
Ich sagte:
»Was ist los?«
»Nichts.
Wir treffen uns also oben an der Straße, wie du gesagt hast, es sei denn, es
schüttet aus Eimern. Dann weichen wir auf Nummer sechzehn aus. Bei strömendem
Regen werden die Jungs ja wohl nicht vor die Tür gehen. Okay?«
»Okay«,
sagte ich. »Rosie. Sieh mich an. Hast du Gewissensbisse deswegen?«
Ein
Mundwinkel verzog sich sarkastisch. »Hast du sie noch alle?
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