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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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ich werde auf absehbare Zeit nirgendwo mehr
hingehen, nur weil du es sagst.«
    »Ach,
Francis, sei nicht —«
    Ich sagte:
»Erinnerst du dich, wie die ganze Chose angefangen hat, ja? Du hast mich
angerufen und überredet, meinen Arsch in diese Scheißgegend zu bewegen. Ich
schwöre dir, ich muss vorübergehend geistig umnachtet gewesen sein, sonst hätte
ich dir gleich gesagt, dass du dir die geniale Idee Gott weiß wohin stecken
kannst. Nämlich, sieh dir an, was draus geworden ist, Jackie. Sieh's dir an.
Bist du zufrieden mit dir, ja? Sonnst du dich im schönen Glanz deines Erfolges?
Bist du jetzt glücklich?«
    Ich
schwankte. Kevin versuchte, eine Schulter unter meine zu bekommen, aber ich
schüttelte sie beide ab, ließ mich mit dem ganzen Gewicht rückwärts gegen die
Wand fallen und schlug die Hände vors Gesicht. Eine Million kleine Lichtpunkte
flimmerten hinter meinen Augenlidern. »Wie konnte ich so blöd sein?«, sagte
ich. »Wie konnte ich so verdammt blöd sein?«
    Eine Weile
sagte keiner etwas. Ich konnte spüren, wie Kevin und Jackie einander ansahen,
versuchten, sich durch Augenbrauensignale zu verständigen. Schließlich sagte
Jackie: »Also, ich weiß ja nicht, wie das bei euch ist, aber ich frier mir langsam
den Arsch ab. Ich geh mal schnell meine Jacke aus dem Pub holen. Wartet ihr
hier auf mich?«
    Kevin
sagte: »Bring meine auch mit.«
    »Klar.
Nicht weglaufen, ja? Francis?«
    Sie
drückte zaghaft meinen Ellbogen. Ich antwortete nicht. Nach einem Moment hörte
ich sie seufzen, und dann das flotte Klack-Klack, als sie den Weg
zurückstöckelte, den wir gekommen waren.
    Ich sagte:
»Was für ein mieser gottverdammter Scheißtag.«
    Kevin
lehnte sich neben mich an die Wand. Ich konnte seinen Atem hören, wie er ein
wenig in der kalten Luft schnaufte. Er sagte: »Es ist ja eigentlich nicht
Jackies Schuld.«
    »Und das
sollte ich bedenken, Kev. Ja, wirklich. Aber du wirst mir verzeihen müssen,
wenn mir das just in diesem Moment scheißegal ist.«
    In der
kleinen Gasse roch es nach Schmierfett und Urin. Irgendwo, ein oder zwei
Straßen weiter, hatten zwei Typen angefangen, sich anzubrüllen, keine Worte,
bloß heiserer, stupider Lärm. Kevin verlagerte das Gewicht an der Wand. »Jedenfalls«,
sagte er, »ich bin froh, dass du zurückgekommen bist. Es war schön, ein
bisschen Zeit mit dir zu verbringen. Ich meine, klar, nicht der ganze
Rosie-Kram und ... du weißt schon. Aber ich bin echt froh, dass wir uns mal
wieder gesehen haben.«
    »Wie
gesagt, ich sollte das bedenken, aber die Dinge laufen nicht immer so, wie sie
sollten.«
    Kevin
sagte: »Weil, na ja, Familie ist mir wirklich wichtig. Schon immer. Ich hab
schließlich nicht gesagt, dass ich nicht dafür
sterben würde, du weißt schon, als Shay so rumgelabert hat? Ich wollte mir von
ihm bloß nicht sagen lassen, was ich zu denken habe.«
    Ich sagte:
»Wer würde das schon.« Ich nahm die Hände vom Gesicht und schob den Kopf ein
paar Zentimeter von der Wand weg, um zu sehen, ob sich die Welt ein wenig
stabilisiert hatte. Nichts geriet allzu sehr ins Schwanken.
    »Früher
war es einfacher«, sagte Kevin. »Als wir Kinder waren.«
    »So hab
ich das eindeutig nicht in Erinnerung.«
    »Na ja,
ich meine, Gott, es war nicht einfach, aber ...
immerhin wussten wir, was wir machen sollten, auch wenn es manchmal zum Kotzen
war, es zu machen. Aber wir wussten es
immerhin. Ich glaube, das fehlt mir. Weißt du, was ich meine?«
    Ich sagte:
»Kevin, mein Guter, ich muss dir sagen, ich weiß es wirklich und wahrhaftig
nicht.«
    Kevin
drehte den Kopf an der Wand und sah mich an. Von der kalten Luft und dem
Alkohol wirkte er rotwangig und verträumt. Er zitterte leicht, seine flotte
Frisur war völlig zerzaust, und er sah aus wie ein Kind auf einer alten
Weihnachtskarte. »Ja«, sagte er seufzend. »Okay. Wahrscheinlich nicht. Egal.«
    Ich löste
mich vorsichtig von der Wand und stützte mich für alle Fälle mit einer Hand ab,
aber meine Knie hielten. Ich sagte: »Jackie sollte hier nicht allein rumlaufen.
Geh ihr nach.«
    Er sah
mich an, blinzelte. »Willst du ... ich meine, du wartest doch hier auf uns,
ja? Ich bin gleich wieder da.«
    »Nein.«
    »Oh.« Er
blickte unschlüssig. »Was ist, na ja, mit morgen?«
    »Was soll
damit sein?«
    »Kommst du
wieder?«
    »Wohl
kaum.«
    »Heißt das
... nie mehr?«
    Er wirkte
so verdammt jung und verloren, es machte mich fertig. Ich sagte: »Kümmer dich
um Jackie.«
    Mein
Gleichgewicht war wieder stabil, und ich ging

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