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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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Kratzer und Blutergüsse. Du bist ein kräftiger Kerl, du bist
stocknüchtern, und du wärest ohne einen Muckser verschwunden gewesen. Bye-bye,
danke fürs Mitspielen, Rocky hat sich sang- und klanglos verabschiedet.«
    »Scheiße,
Mann ...« Er zog seinen Mantel gerade und klopfte Staub davon ab, fest. »Das
war nicht witzig, Francis. Du hast mir einen Heidenschrecken eingejagt.«
    »Gut so.
Kevin war nicht selbstmordgefährdet, Rocky. Das musst du mir glauben. Er hätte
sich nie und nimmer was angetan.«
    »Schön.
Dann sag mir eins: Wer hatte es auf ihn abgesehen?«
    »Mir fällt
da keiner ein, aber das heißt nichts. Die gesamte sizilianische Mafia hätte
hinter ihm her sein können, und ich hätte keine Ahnung gehabt.«
    Rocky
erwiderte nichts und ließ das für sich sprechen.
    Ich sagte:
»Zugegeben, wir waren keine Busenfreunde. Aber auch wenn wir nicht gerade
unzertrennlich waren, wusste ich, dass er ein kerngesunder junger Mann ist,
keine psychische Krankheit, keine Probleme mit dem Liebesleben, keine Geldprobleme,
alles bestens. Und dann eines schönen Abends beschließt er aus heiterem
Himmel, in ein verfallenes Haus zu spazieren und einen Kopfsprung aus dem
Fenster zu machen?«
    »So was
kommt vor.«
    Rocky
strich sich die Haare wieder in Form und seufzte. »Okay«, sagte er. »Ich zeige
dir jetzt was, aber ich zeige es dir als meinem Kollegen, Frank. Nicht als
Verwandtem des Opfers. Kein Wort darüber außerhalb dieses Raumes. Kriegst du
das hin?«
    »Kein
Problem«, sagte ich. Mir schwante nichts Gutes.
    Rocky
beugte sich über seine tuntige Aktentasche, kramte darin herum und holte einen
durchsichtigen Beweismittelbeutel hervor. »Nicht aufmachen«, sagte er.
    Es war ein
kleines Blatt liniertes Papier, vergilbt und von tiefen Knicken durchzogen, wo
es lange gefaltet gewesen war. Ich blickte verständnislos darauf, bis ich es
umdrehte und den verblassten Kugelschreiber sah, und dann, ehe mein Gehirn
verarbeiten konnte, was los war, kam die Handschrift aus allen dunklen Ecken
angeschossen und krachte in mich hinein wie ein führerloser Zug.
     
    Liebe Mam, lieber Dad und liebe Nora, wenn Ihr das hier
lest, bin ich schon auf dem Weg nach England mit Francis. Wir werden heiraten,
wir werden uns gute Jobs suchen, nicht in Fabriken, und wir werden zusammen
ein tolles Leben haben. Mir wäre es bloß lieber gewesen, ich hätte Euch nicht
anlügen müssen, Tag für Tag hatte ich nur den einen Wunsch, Euch in die Augen
zu schauen und zu sagen, ich werde ihn heiraten, aber Dad ist nun mal, wie er
ist. Ich wusste, Ihr würdet ausflippen, aber Frank ist KEIN Faulpelz und er
wird mir NICHT wehtun. Er macht mich glücklich. Heute ist der glücklichste Tag
meines Lebens.
     
    »Die Jungs
vom Labor werden noch ein paar Tests machen«, sagte Rocky, »aber ich würde
sagen, wir beide haben die andere Hälfte davon schon mal gesehen.«
    Draußen
vor dem Fenster war der Himmel grauweiß, wurde eisig. Ein kalter Luftzug fegte
durchs Fenster herein, und von den Dielenbrettern wirbelten Staubkörnchen auf,
glitzerten eine Sekunde lang in dem schwachen Licht, sanken dann wieder herab
und verschwanden. Irgendwo hörte ich das Zischeln und Rascheln von Wandputz,
der sich auflöste, wegrieselte. Rocky beobachtete mich mit etwas, von dem ich
im Interesse seiner Gesundheit hoffte, dass es kein Mitleid war.
    Ich sagte:
»Woher hast du das?«
    »Es
steckte in der Jackeninnentasche deines Bruders.«
    Was den
krönenden Abschluss für den Dreifachschlag von heute Morgen bildete. Als ich
wieder etwas Luft in die Lunge bekam, sagte ich: »Damit weißt du noch nicht,
woher er es hat. Damit weißt du noch nicht mal, dass er es selbst eingesteckt
hat.«
    »Nein«,
sagte Rocky, zu sanft. »Stimmt.«
    Wir
schwiegen. Rocky ließ einen taktvollen Moment verstreichen, ehe er die Hand
nach dem Beweismittelbeutel ausstreckte.
    Ich sagte:
»Du denkst, das bedeutet, Kevin hat Rosie umgebracht.«
    »Ich denke
gar nichts. Vorläufig sammele ich bloß die Beweise.«
    Er griff
nach dem Beutel; ich riss ihn weg. »Du sammelst schön weiter. Verstanden?«
    »Ich
brauche den zurück.«
    »Unschuldig
bis zum Beweis der Schuld, Kennedy. Das hier ist noch lange, lange kein Beweis.
Vergiss das nicht.«
    »Mmm«,
sagte Rocky uneindeutig. »Außerdem möchte ich, dass du mir nicht in die Quere
kommst, Frank. Das meine ich sehr ernst.«
    »Was für
ein Zufall. Ich auch.«
    »Vorher
war es schon schlimm genug. Aber jetzt ... Stärker kann man gar nicht

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