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French, Tana

French, Tana

Titel: French, Tana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sterbenskalt
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Gelegenheit haben,
die kleine Hysterikerin vom Morddezernat aufzuregen, selbst wenn ich wollte.
Ich mach bloß noch eben klar Schiff« - ich deutete mit dem Daumen in Richtung
meines Büros -, »dann bin ich weg und komme keinem mehr in die Quere.«
    George
musterte mich unter schweren Lidern. Schließlich winkte er mit einer großen,
schlaffen Hand und sagte: »Dann los, machen Sie klar Schiff. Lassen Sie sich
Zeit.«
    »Danke,
Boss«, sagte ich. Deshalb lieben wir George. Eine der Qualitäten eines richtig
guten Vorgesetzten ist, dass er weiß, wann er etwas nicht wissen will. »Bis in
ein paar Wochen.«
    Ich war
schon halb zur Tür raus, als er »Frank« rief.
    »Ja?«
    »Kann die
Abteilung was spenden, im Namen Ihres Bruders? Irgendwelche wohltätigen
Zwecke? Ein Sportverein?«
    Und da
traf es mich schon wieder, wie ein Handkantenschlag genau auf die Gurgel.
Einen Moment lang brachte ich keinen Ton heraus. Ich wusste nicht mal, ob Kev
in einem Sportverein gewesen war, obwohl ich das bezweifelte. Mir schoss durch
den Kopf, dass man speziell für solche beschissenen Situationen wie jetzt eine
Wohltätigkeitsorganisation gründen sollte, einen Fonds für junge Leute, damit
sie am Great Barrier Reef Schnorcheln und am Grand Canyon Paragliding machen
konnten, nur für den Fall, dass sich dieser Tag als ihre letzte Chance erwies.
    »Spendet
für die Opferhilfe«, sagte ich. »Und danke, Boss. Sehr nett. Sagen Sie auch den
Jungs danke.«
    Im Grunde
seines Herzens glaubt jeder verdeckte Ermittler, dass das Morddezernat mehr
oder weniger aus einem Haufen Weicheier besteht. Es gibt Ausnahmen, aber
Tatsache ist, dass die Jungs vom Morddezernat unsere Profiboxer sind: Sie
kämpfen hart, aber im Grunde eben doch mit Handschuhen und Mundschutz und einem
Ringrichter, der mit seiner kleinen Glocke bimmelt, wenn einer mal
verschnaufen oder sich das Blut abwischen muss. Undercoverleute kämpfen mit bloßen
Händen, wir kämpfen mit allen Tricks, und wir kämpfen so lange, bis einer zu
Boden geht. Wenn Rocky in das Haus eines Verdächtigen will, füllt er einen Berg
Papiere aus und wartet auf die Stempel und stellt das geeignete Einsatzteam
zusammen, damit niemandem was passiert. Ich schau harmlos aus der Wäsche, denke
mir eine gute Geschichte aus und spaziere einfach rein, und wenn der
Verdächtige beschließen sollte, Kleinholz aus mir zu machen, bin ich auf mich
allein gestellt.
    Das würde
mir jetzt zugutekommen. Rocky war es gewohnt, nach den Regeln zu kämpfen. Er
ging ganz selbstverständlich davon aus, dass ich, bis auf die eine oder andere
unbedeutende Verfehlung á la böser kleiner Junge genauso kämpfte. Es würde
eine Weile dauern, bis er auf den Trichter kam, dass meine Regeln rein gar
nichts mit seinen gemeinsam hatten.
    Ich
breitete eine Reihe Akten auf meinem Schreibtisch aus, damit jeder, der
zufällig hereinschaute, sah, dass ich fleißig die Übergabe vorbereitete. Dann
rief ich meinen Kumpel in der Verwaltung an und bat ihn, mir die Personalakte
von jedem Sonderfahnder zu mailen, der für den Mordfall Rosie Daly angefordert
worden war. Er wand sich ein bisschen, von wegen Vertraulichkeit und so, doch
zwei Jahre zuvor war seine Tochter wegen Drogenbesitzes nur deshalb noch
einmal mit einem blauen Auge davongekommen, weil irgendwer drei Tütchen Koks
und ihre schriftliche Aussage verschlampt hatte, daher ging ich davon aus, dass
er mir mindestens zwei größere und vier kleinere Gefallen schuldete. Bei aller
Winderei sah er die Sache genauso. Er hörte sich an, als würde sein Magengeschwür
mit jeder Sekunde wachsen, doch die Akten waren bei mir auf dem Rechner, ehe
wir auflegten.
    Rocky
hatte fünf Sonderfahnder zugeteilt bekommen, mehr, als ich bei einem eiskalten
Fall erwartet hätte. Anscheinend hatte er sich mit seiner Erfolgsquote von
über achtzig Prozent bei den Jungs vom Morddezernat tatsächlich Respekt verschafft.
Der vierte Sonderfahnder war der, den ich brauchte. Stephen Moran,
sechsundzwanzig Jahre alt, wohnhaft am North Wall Quay, gutes Abschlusszeugnis,
direkt von der Schule nach Templemore, eine ganze Latte überschwänglicher
Beurteilungen, seit gerade mal drei Monaten aus der Uniform raus. Das Foto
zeigte einen mageren Knaben mit zotteligen roten Haaren und wachsamen grauen
Augen. Ein Dubliner Junge aus dem Arbeitermilieu, gescheit und zielstrebig und
auf der Überholspur und - dem Himmel sei Dank für kleine Grünschnäbel - viel zu
unerfahren und eifrig, um irgendetwas in Frage zu stellen,

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