Freu dich des Lebens
und zerstören, was zu Geisteskrankheit führt.
Ungefähr die Hälfte aller Geisteskrankheiten gehen tatsächlich auf physische Ursachen wie Gehirnverletzungen, Alkoholeinfluss und Vergiftungen zurück. Die andere Hälfte aber - und das ist das Erschreckende - weist keine erkennbaren organischen Schädigungen der Gehirnzellen auf. Selbst bei Autopsien, wenn die Gehirnzellen unter den stärksten Mikroskopen untersucht werden, erscheinen sie genauso gesund wie bei Ihnen und bei mir.
Was also ist der Grund, dass diese Menschen geisteskrank werden?
Ich habe diese Frage einmal dem Chefarzt einer unserer größten Irrenanstalten vorgelegt. Dieser Mann, der für seine Kenntnisse auf dem Gebiet der Geisteskrankheiten mit höchsten Ehren und Auszeichnungen dekoriert worden war, gab offen zu, dass er darauf keine Antwort wusste. Dass es niemand mit Sicherheit weiß. Er erklärte mir jedoch, dass viele in ihrem kranken Zustand ein Gefühl von Bedeutung hätten, das sie sich in der Wirklichkeit nie verschaffen konnten. Dann erzählte er mir folgende Geschichte:
»Ich habe eine Patientin hier, deren Ehe eine einzige Tragödie war. Sie sehnte sich nach Liebe, sexueller Erfüllung, Kindern und gesellschaftlichem Ansehen; doch das Leben zerstörte alle ihre Hoffnungen. Ihr Mann liebte sie nicht, weigerte sich sogar, mit ihr am gleichen Tisch zu essen, und sie musste ihm seine Mahlzeiten auf sein Zimmer bringen. Sie hatte weder Kinder noch eine gesellschaftliche Position. Da wurde sie geisteskrank; in ihrer Scheinwelt ließ sie sich von ihrem Mann scheiden und nahm wieder ihren Mädchennamen an. Sie bildet sich nun ein, mit einem englischen Aristokraten verheiratet zu sein, und besteht darauf, Lady Smith genannt zu werden.
Was die Kinder anbelangt, so bekommt sie in ihrer Einbildung jede Nacht ein neues. Jedes Mal, wenn ich mit ihr spreche, sagt sie: ›Doktor, ich habe letzte Nacht ein Baby bekommen!‹«
Im Leben sind alle ihre Traumschiffe am Felsen der Realität zerschellt; aber auf der sonnigen Zauberinsel des Wahnsinns laufen sie mit geblähten Segeln und bei günstigem Wind in den Hafen ein.
Tragisch? Ich weiß es nicht. Ihr Arzt sagte mir: »Wenn ich die Hand ausstrecken und sie heilen könnte - ich würde es nicht tun. Sie ist viel glücklicher so.«
Wenn es möglich ist, dass der Geltungstrieb Menschen in die Arme des Wahnsinns treibt, so kann man sich leicht vorstellen, was man mit ehrlicher Anerkennung beim normalen Menschen zu erreichen vermag.
Einer der ersten Männer, die in der amerikanischen Industrie ein Jahresgehalt von über einer Million Dollar bekamen (als es noch keine Einkommensteuer gab und ein Angestellter, der in der Woche fünfzig Dollar verdiente, als gutbezahlt galt), war Charles Schwab. Er war von »Stahlkönig« Andrew Carnegie 1921 zum Präsidenten der neugegründeten United States Steel Company ernannt worden. Schwab war damals achtunddreißig Jahre alt.
Aus welchem Grund bezahlte Andrew Carnegie Schwab eine Million Dollar im Jahr oder mehr als dreitausend Dollar am Tag? Weil Schwab ein Genie war? Nein.
Weil er mehr über Stahl wusste als alle anderen? Unsinn.
Charles Schwab hat mir selber gesagt, dass viele seiner Untergebenen mehr von Stahlherstellung verstünden als er selbst.
Er erzählte mir aber auch, dass er sein Gehalt zu einem großen Teil deshalb bekam, weil er mit Menschen umzugehen wusste. Ich fragte ihn, wie er das machte. Hier ist die Antwort in seinen eigenen Worten - Worte, die für die Ewigkeit in Bronze gegossen und in jedem Haus, jeder Schule, jedem Laden und Büro im ganzen Land aufgehängt werden müssten - Worte, welche die Kinder auswendig lernen sollten, statt ihre Zeit mit dem Konjugieren lateinischer Verben zu vertrödeln oder mit dem Büffeln der jährlichen Niederschlagsmengen in Brasilien - Worte, die geeignet sind, unser ganzes Leben umzukrempeln, vorausgesetzt, dass wir sie befolgen:
»Ich betrachte meine Fähigkeit, die Menschen zu begeistern, als meinen größten Vorteil«, sagte Schwab.
»Durch Anerkennung und Aufmunterung kann man in einem Menschen die besten Kräfte mobilisieren. Nichts tötet hingegen seinen Ehrgeiz so gründlich wie Kritik von Vorgesetzten. Ich kritisiere nie jemanden. Ich glaube, dass man die Menschen zur Arbeit anspornen muss. Deshalb lobe ich ebenso gerne, wie ich ungern tadle. Bin ich mit einer Leistung zufrieden, so anerkenne ich sie aufrichtig und gehe großzügig mit Lob um.«
So also machte es Schwab. Was aber tut der
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