Freu dich des Lebens
Sorgen. Sie hatte niemanden, zu dem sie gehen, niemanden, mit dem sie essen konnte, und nicht einmal das Geld, um sich ein Festessen zu leisten.
Tränen stiegen in mir hoch, und ich steckte den Kopf unter das Kissen und zog die Decke darüber. Ich weinte ohne einen Laut. Aber so bitterlich und haltlos, dass mein ganzer Körper zuckte.
Eine junge Lehrschwester bemerkte mein Schluchzen und trat an mein Bett. Sie zog die Decke von meinem Gesicht und begann mir die Tränen abzuwischen. Dazu erzählte sie mir, wie sie Heimweh hätte, weil sie an diesem Tag arbeiten müsse und nicht bei ihrer Familie sein könne.
Sie fragte mich, ob ich nicht zusammen mit ihr essen würde. Dann brachte sie zwei Tabletts mit Truthahnschnitzeln, Kartoffelbrei, Preiselbeersauce und zum Nachtisch Eis. Sie sprach mit mir und versuchte meine Angst zu mildern. Obschon sie nur bis um vier Uhr nachmittags Dienst gehabt hätte, blieb sie bis fast um elf. Sie spielte mit mir und unterhielt sich mit mir, bis ich schließlich einschlief.
Viele Ostern sind vergangen, seit ich damals zehn Jahre alt war, aber jedes Mal werde ich an jenen ganz besonderen Tag zurückdenken, an meine Angst und Verzweiflung und dann an jene Wärme und Herzlichkeit eines fremden Menschen, die auf einmal alles erträglicher machten.«
Wenn Sie beliebt sein wollen, wenn Sie echte Freundschaft suchen, wenn Sie anderen und sich gleichzeitig helfen wollen, merken Sie sich:
Interessieren Sie sich aufrichtig für die andern.
5. Wie man sich im Handumdrehen beliebt macht
Ich wartete in einer Schlange vor dem Schalter eines Postamtes, um einen Einschreibbrief aufzugeben. Mir fiel auf, dass der Angestellte von seiner Arbeit sichtlich gelangweilt war - Briefe wiegen, Marken abtrennen, Kleingeld herausgeben, Empfangsscheine ausstellen - Jahr für Jahr immer dieselbe monotone Tätigkeit. Während meiner Wartezeit beschloss ich, mich bei diesem Mann beliebt zu machen. Zu diesem Zweck musste ich natürlich etwas Nettes zu ihm sagen, nicht über mich, sondern über ihn.
Ich überlegte, ob ich irgend etwas an ihm aufrichtig bewundern könnte. Diese Frage ist manchmal gar nicht einfach zu beantworten, besonders wenn man die betreffende Person nicht kennt. In diesem Fall war das Problem jedoch bald gelöst. Ich sah augenblicklich etwas, das ich rückhaltlos bewunderte.
Während er meinen Brief wog, bemerkte ich deshalb mit unverhohlener Bewunderung: »Ich wollte, ich hätte Ihr Haar.«
Er blickte auf, leicht überrascht, aber mit einem strahlenden Lächeln, und meinte bescheiden: »Nun, es ist auch nicht mehr, was es früher war.« Ich versicherte ihm, dass es immer noch prächtig sei, auch wenn es vielleicht etwas von seiner einstigen Schönheit eingebüßt habe. Er fühlte sich ungeheuer geschmeichelt. Wir wechselten noch ein paar freundliche Worte, und zum Schluss sagte er: »Viele Leute haben mich schon um mein Haar beneidet.«
Ich wette, der Mann ging an jenem Tag schwebenden Fußes zum Mittagessen. Ich wette, er hat am Abend zu Hause seiner Frau davon erzählt. Und ich wette, er hat in den Spiegel geblickt und sich gesagt: Es ist tatsächlich ein prächtiger Schopf.
Ich habe diese Geschichte einmal vor Zuhörern erzählt, und jemand fragte mich nachher: »Was wollten Sie eigentlich von diesem Mann?«
Was ich von ihm wollte? Du lieber Himmel! Wenn jemand so grenzenlos selbstsüchtig ist, dass er nicht einmal ein bisschen Glück verschenken, ein bisschen aufrichtige Anerkennung spenden kann, ohne vom anderen gleich etwas dafür zu erwarten, dann geschieht ihm ganz recht, wenn er nicht weiterkommt.
Natürlich wollte ich etwas von diesem Mann, etwas Unbezahlbares - und ich bekam es auch. Er gab mir das Gefühl, dass ich etwas für ihn getan hatte, ohne dass es ihm möglich war, mir dafür in irgendeiner Art einen Gegendienst zu erweisen. Dieses Gefühl wärmt einem das Herz und lebt noch in der Erinnerung fort, wenn das Ereignis selber längst vorüber ist.
Es gibt ein äußerst wichtiges Gesetz im Umgang mit Menschen. Wenn wir diesem Gesetz gehorchen, geraten wir kaum je in Schwierigkeiten. Im Gegenteil: Wir verschaffen uns dadurch unzählige Freunde und ein immerwährendes Glücksgefühl. Im selben Augenblick jedoch, da wir dieses Gesetz verletzen, müssen wir mit fortwährendem Ärger rechnen. Dieses Gesetz lautet: Bestärke den anderen immer in seinem Selbstgefühl. Ich habe John Dewey schon früher zitiert, der sagte, dass die menschliche Natur nichts so sehr
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