Freunde müssen töten - Thriller (German Edition)
seinem bewegten Leben, sprach über die Piratenradios vor der holländischen Küste, bei denen Miller in den 60er-Jahren gearbeitet hatte:
„Weißt du, die Sendung deines Vaters ist wirklich einzigartig. Ich habe hunderte von Mails von Hörern, die sich für seine Ratschläge bedankt haben. Da geht es nicht einfach um dieses psychologische Blabla, sondern darum, auszusprechen, was man sich denkt. Eben einen ‚Talk ohne Limits‘ zu führen.“
Miller machte eine Pause und trank geräuschvoll aus einer riesigen Tasse, die aber in seinen Pranken wie eine Mokkatasse aussah, einen dampfenden Früchtetee.
„Dein Vater arbeitet intuitiv, er denkt mit dem Bauch – deshalb schießt er manchmal auch ein wenig über das Ziel hinaus, aber im Großen und Ganzen hat er Recht, denn er steht immer auf der Seite der Schwachen und vom Schicksal benachteiligten Menschen. Das darfst du nie vergessen!“
Ächzend stand Miller auf, packte Jimmy am Arm und schob ihn in das Studio. „Los, mein Kleiner, jetzt kannst du einmal zeigen, was in dir steckt. Ich habe da eine Idee über eine nachmittägliche Talk-Show für Kids in deinem Alter, die nicht wissen, was sie nachmittags machen sollen, und bevor sie auf dumme Gedanken kommen, sollen sie bei dir anrufen und du hörst ihnen zu.“
„Weiß doch gar nicht, ob ich das kann.“
„Natürlich kannst du das! Wenn man nichts probiert, kann man auch nichts falsch machen, kapiert!“
Braun sah den beiden nach und seufzte erleichtert auf. Es war gar nicht so schwer gewesen, seinen Sohn mit der Internetradio-Idee zu begeistern. Als ihn Dave Lang angerufen hatte, dass er Jimmy auf dem Flachdach des Logistik-Centers in ziemlich verwirrtem Zustand gefunden hatte, war Braun sofort aktiv geworden. Er hatte sich daran erinnert, dass Miller einmal von der vagen Idee gesprochen hatte, ein Talk-Radio-Format für Jugendliche ins Leben zu rufen, wo man ungeniert alle seine Sorgen und Ängste einem gleichaltrigen Host mitteilen konnte. Und so war er mit Jimmy hier gelandet, der von der Idee ziemlich angetan war, sich die Moderation aber nicht so recht zutraute. Doch dabei würde ihm Giorgio Miller schon helfen.
45. Futter für hungrige Hunde
Sherban drückte noch heftiger als sonst auf das Gaspedal seines Dodge V8, um so schnell wie möglich Minsk zu erreichen. Die Straßen in Weißrussland waren genauso katastrophal wie in der Slowakei, nur war weniger Verkehr und außer uralten, in giftige Abgaswolken gehüllten Diesellastwagen und Pferdefuhrwerken waren ihm bisher noch keine Fahrzeuge begegnet.
Sherban passierte einige kleinere Orte, die rund um die Schnellstraße gebaut worden waren und wo die Kinder seinem auffälligen Wagen nachliefen wie in einem Land der Dritten Welt. Auf dem Beifahrersitz hatte er den Flyer liegen, der auf Englisch und Russisch junge Mädchen aufforderte, sich bei einem Contest in Minsk für einen Vertrag bei Madonna Models zu bewerben. Für diesen Modelcontest arbeitete Sherban mit einer lokalen Agentur und natürlich auch mit der weißrussischen Polizei zusammen, ohne deren Unterstützung überhaupt nichts möglich war. Vor Tagen hatte ihm die Agentur einige Bilder aus Minsk gemailt, auf denen der längste Laufsteg von Weißrussland zu sehen war, mitten in eine schnurgerade Paradestraße gebaut, flankiert von unglaublich hässlichen Plattenbauten, und mit einem roten, zum Teil bereits wieder eingesunkenen Dach gegen Regen und Schnee versehen. Überall waren an die Stangen kleine Fähnchen mit den weißrussischen Farben gesteckt, das war eine Vorgabe der Polizei und natürlich hatte Sherban zugestimmt.
Während er sich Minsk näherte, überschlug er im Kopf die Kosten, die diese Aktion verursachte. Da kam einiges zusammen, denn die Agentur musste bezahlt werden, dann natürlich die Polizei, auch der Amtsdirektor von Minsk hielt die Hand auf und noch ein Dutzend andere, die an diesem Event mitschneiden wollten. Aber als Bonus bekam er wieder mindestens zehn der schönsten Mädchen aus Weißrussland, die er dann einzeln oder zu zweit nach Bratislava bringen würde. Die Rechnung ging sicher auf, darüber machte er sich keine Sorgen.
Mittlerweile war auch auf der Schnellstraße der Verkehr ein wenig stärker geworden und vereinzelt sah man jetzt sogar europäische Autos. Hinter Sherban war wie aus dem Nichts ein großer schwarzer Geländewagen mit russischem Kennzeichen aufgetaucht, der immer hinter ihm blieb, egal ob er vom Gas ging oder beschleunigte. Sherban
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