Freunde müssen töten - Thriller (German Edition)
eine nie gekannte Wut in ihm auf, als er sich seine Designerlederjacke griff und die Tür zu Brauns Büro öffnete.
„Bin kurz unterwegs“, sagte er und schob den Kopf durch den Türspalt. Doch Braun schien ihn nicht zu hören, sondern starrte mit offenem Mund auf seinen Monitor.
„Das ist ja total krank“, flüsterte er zu sich selbst und beugte sich noch weiter vor, dass seine Nasenspitze beinahe den Bildschirm berührte. Dann sah er kurz auf und erst jetzt registrierte er Gruber.
„Gruber, sieh dir das einmal an!“ Mit der Hand winkte ihn Braun zu sich.
Gruber war überhaupt nicht in der Stimmung, sich mit Braun wieder irgendwelche Bekennermails anzusehen, die sie in regelmäßigen Abständen erhielten und in denen Verrückte sich als Täter outeten. Das bedeutete immer jede Menge Papierkram, denn selbstverständlich musste diesen Hinweisen nachgegangen werden.
Und überhaupt wollte sich Gruber jetzt um die Telefonnummer auf ihrem Handy kümmern. Wieder packte ihn diese grenzenlose Wut. Er schüttelte den Kopf, um die Gedanken aus seinem Kopf zu bekommen und beugte sich zu Brauns Computer hinunter. Zuerst konnte er nicht klar erkennen, was das auf dem Bildschirm eigentlich war, doch der Eindruck war ungut und beklemmend. Aber dann sah er noch genauer hin.
„Ist das ein totes Mädchen oder will uns hier bloß einer verarschen?“, fragte er mit belegter Stimme.
„Das ist kein Scherz, Gruber! Lies mal die Mail!“ Braun öffnete die Mail und Gruber las stirnrunzelnd den Text.
„Völlig durchgeknallt, der Typ“, sagte er und fuhr sich nervös durch die ungewaschenen Haare. „Aber gefährlich! Was meinst du?“
„Denke auch, dass wir es hier mit einem Psychopathen zu tun haben. Ich muss gleich nach oben zu Big Boss Wagner. Bin gespannt, was er dazu sagt.“ Braun wandte sich zu ihm und tippte ihm mit dem Finger auf die Brust. „Check du mal, ob es in letzter Zeit ein vermisstes Mädchen gab. Alter schätze ich zwischen 16 und 20 Jahren. Älter ist die doch nicht.“ Er deutete auf das Foto. „Und überprüfe, ob es sich wirklich um eine Tote handelt.“
„Geht klar, aber ich muss zuvor noch in einer anderen Sache etwas checken. Dauert aber nicht lange.“ Er war schon bei der Tür, als ihm Braun hinterherrief:
„Krieg deine private Scheiße wieder in den Griff, sonst haben wir bald ein Problem. Hast du mich verstanden, Gruber?“
Natürlich hat er es bemerkt, Braun ist nicht zu unterschätzen, dachte Gruber, als er auf den Gang trat.
Überall standen Kartons mit Akten umher, die Beschaffungsabteilung der Polizei hatte wirklich ganze Arbeit geleistet und die Umsiedelung perfekt organisiert.
„Hallo, Gruber! Freust du dich schon auf den Umzug? Ihr sitzt ja dann in der schwarzen Halle drunten am Hafen.“ Gruber starrte seinen Kollegen verständnislos an, er hatte keine Ahnung, wovon der sprach.
„Schwarze Halle am Hafen! Dahin übersiedelt die Mordkommission! Schon vergessen?“, half ihm der Kollege auf die Sprünge.
„Ach ja, alles klar.“ Gruber nickte wissend, er hatte den Termin der Übersiedelung komplett verschwitzt. Doch jetzt galt es, das Telefonat zu regeln.
In der Tiefgarage quetschte er sich in seinen schwarzen Fiat 500. Als Marken für ihn noch wichtig waren, hatte er sich dieses enge Auto gekauft. Keine Probleme mehr mit dem Einparken, hatte der Verkäufer gestrahlt, aber Linz war ja nicht Rom, wo man um jeden Parkplatz kämpfen musste. Zügig fuhr er die Industriezeile entlang. Aus dem dichten Nebel, der die Stadt schon seit Wochen in ein gleichförmiges Zwielicht hüllte, begann es leicht zu schneien und Gruber wurde immer deprimierter. Je mehr er sich der Innenstadt näherte, desto dichter wurde der Verkehr und knapp vor dem Neuen Dom ging überhaupt nichts mehr. Fiat 500 hin oder her, wenn man im Stau steckte, half einem auch das kleinste Auto nicht weiter. Jetzt wäre es natürlich schön gewesen, mit Blaulicht an den wartenden Fahrzeugen vorbeizubrausen, aber Gruber musste diskret vorgehen. Nach einer unendlich langen Zeit hatte er endlich sein Ziel erreicht. Er parkte den Wagen im Halteverbot, wischte die angelaufene Scheibe frei und hatte einen ungehinderten Blick auf den mit Brettern verrammelten 50er-Jahre-Kiosk, der bald einem Vorplatz des neuen Musiktheaters weichen würde, aber im Moment noch ein Treffpunkt für die Linzer Kleindealer und sonstige Typen aus der Drogenszene war. Fest umklammerte er das rosa Handy in der Tasche seiner Designerlederjacke, die
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