Freunde müssen töten - Thriller (German Edition)
plötzlich keinen Wert mehr für ihn besaß, so hatten sich die Prioritäten verschoben.
Objektiv betrachtet musste er sie vor dem Untergang retten. Aber in dem Park hingen einfach zu viele zitternde Junkies und durchfrorene Huren und Stricher auf der mit Hundescheiße und Gummis übersäten braun-matschigen Wiese herum. Trotzdem musste er seine Arbeit erledigen, das war einfach wichtig. Das Beste war, mit ihr einen Ausflug zu machen.
14. Die schwarze Taube
„Gefällt es dir hier, meine Schöne?“ Zärtlich blickte er auf das sehr junge Mädchen in dem Boot, erwartete aber keine Antwort. Während er langsam und bedächtig wie ein venezianischer Gondoliere durch das Wasser ruderte, summte er ein trauriges Liebeslied und seine ausdruckslose Stimme wurde in dem Gewölbe als sanftes Echo zurückgeworfen. Überall glitzerten schon verführerisch die ersten Eiskristalle, denn in dem Gewölbe war es bereits im November eiskalt.
„Bald haben wir unser Ziel erreicht, meine Liebe. Dort wartet dann eine Überraschung auf dich!“ Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er sich zu dem sehr jungen Mädchen hinunterbeugte und ihr zärtlich über die Wange strich.
„Wie schön du doch bist“, flüsterte er zärtlich und breitete ihre aschblonden Haare zu einem Fächer aus. „Trotzdem ist es nicht richtig. Warum machst du denn so etwas?“ fügte er leise hinzu und hob tadelnd seinen Zeigefinger. „Aber jetzt hast du ja mich und ich werde dich erlösen, vertraue mir“, murmelte er und hielt dann sein Ohr an den Mund des Mädchens. „Hast du etwas gesagt, meine Schöne?“
Die Augen des Mädchens waren vor Panik unnatürlich geweitet und aus ihrem Mund drangen nur gurgelnde Laute. Eine Flasche Roederer-Champagner war leider zerbrochen, als man sie dem Mädchen in den Mund gerammt hatte und der Flaschenhals hatte ihr nicht nur fast alle Zähne ausgeschlagen, sondern die scharfen Splitter hatten auch Lippen, Zunge und Gaumen zerschnitten und das bisschen Luft, das ihr blieb, vermischte sich mit dem immer heftiger stoßweise hervorschießenden schwarzen Blut.
„Das hätten die bösen Männer aber nicht tun dürfen, meine Schöne!“, sagte er und betrachtete interessiert den zerschnittenen, fast lippenlosen und blutig entstellten Mund des Mädchens.
„Aber du bist ja selbst schuld, wenn du dich von allen ficken lässt“, schimpfte er, beruhigte sich aber schnell wieder und redete in einem salbungsvollen Ton weiter. „Doch bald ist dein Schmerz vorüber, dann bist du der Engel in meinem Universum, dann musst du nie wieder so arbeiten, sondern brauchst nur für mich schön zu sein.“ Ein letztes Mal strich er über ihren blutverschmierten Mund, betrachtete dann seine blutigen Finger und leckte sie sauber. Aus einer Kiste im Boot holte er eine schwarze Taube, deren Flügel fest an den Körper gebunden waren.
„Die Taube gehört dir! Ein Geschenk für dich, meine Schöne.“ Jetzt schossen ihm vor Glück die Tränen in die Augen und am liebsten wäre er niedergekniet und hätte ihr einen Heiratsantrag gemacht. Doch dann riss er sich doch zusammen und drehte stattdessen der schwarzen Taube mit einem Knacken den Hals um.
15. Wer steht schon auf tote Mädchen
Als Tony Braun im sechsten Stock aus dem Lift stieg, begann das Licht im Korridor plötzlich zu flackern und der Wind heulte um das Gebäude und rüttelte an den Fenstern. Draußen war es fast dunkel, obwohl es erst kurz nach Mittag war und der dichte Nebel war einem Schneeregen gewichen. Im Stockwerk von Big Boss Wagner standen überall die Umzugskartons herum und schweigsame Männer in blauen Arbeitsmonturen schraubten Kästen und Regale auseinander.
Wagner saß hinter seinem Schreibtisch, die Regale an den Seitenwänden in seinem Büro waren leer, die Schranktüren geöffnet, auf dem Boden stapelten sich Berge von staubigen Akten, es sah aus wie nach einer Hausdurchsuchung. Der feuchte Fleck an der Decke hatte sich seit Brauns letztem Besuch ziemlich vergrößert. Auf Wagners Schreibtisch lag noch immer die Morgenpost mit der fetten „Töten ist einfach schön!“-Headline. Braun hatte seinen Laptop mitgebracht, den er jetzt aufklappte und einfach auf die Zeitung stellte.
„Das müssen Sie sich ansehen!“, fiel er Wagner gleich ins Wort, der schon wieder von dem Artikel reden wollte, und deutete auf den Bildschirm.
„Sind Sie sicher, dass da niemand einen Scherz mit Ihnen machen wollte?“, fragte Wagner nach eingehendem Studium des Bildes und hatte
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