Freunde müssen töten - Thriller (German Edition)
Anruf von Kim Klinger, der Journalistin, die ihn so in die Pfanne gehauen hatte, nicht annehmen dürfen. Nachdem er ihr die Meinung gesagt hatte, hatte sich Kim Klinger mit schwerem Zungenschlag wortreich für die Schlagzeile entschuldigt und dann übergangslos eine Zusammenarbeit vorgeschlagen.
„Sie müssen in die Vermisstenstelle und herausfinden, ob in den letzten Jahren Models hier in Linz verschwunden sind. Sieben Mädchen, das kann doch nicht unbemerkt geblieben sein! Das bin ich diesen Mädchen schuldig! Ich muss sie vor dem Vergessen bewahren, haben Sie mich verstanden, diese Mädchen dürfen nicht vergessen werden!“ Noch immer brüllte sie so laut in das Handy, dass Braun richtige Kopfschmerzen bekam.
„... eine große Sache! Echt heftig, alle stecken mit drinnen!“, faselte sie weiter, und ihr Zungenschlag wurde noch schwerer. „Laura Pestalozzi war bei Madonna Models mit meiner Informantin ... checken Sie das ...“ Plötzlich riss die Verbindung ab und Braun war froh darüber. Mit klappernden Zähnen stand er unter der in den letzten Zügen röhrenden, mickrigen Wärmelampe im Anatolu Grill und dachte für einen kurzen Augenblick daran, seinem Lokal untreu zu werden und in den Hafenstern zu wechseln, wo es schön warm und gemütlich war. Doch dann sah er die verschlossene Bierdose vor sich auf dem wackeligen Stehtisch, die ihm Kemal, der Wirt, in weiser Voraussicht bereits hingestellt hatte, und bereute diesen Gedanken sofort wieder. Niemals würde er sein Stammlokal im Stich lassen. Es war bereits das zweite Mal an diesem Tag, dass die Vermisstenstelle ins Spiel kam. Und immer ging es um junge Mädchen, die entweder so wie auf dem Foto tot oder verschwunden waren, wie Kim erzählt hatte. Gedankenverloren trank er sein Bier aus.
„Und bringen Sie mir einen Schnaps!“
Eine Frauenstimme beförderte Braun wieder zurück in die Gegenwart.
„Mir auch noch ein Bier!“, rief er Kemal zu.
Während er die nächste Dose öffnete, beobachtete er die Frau. Sie war ziemlich groß und ausgesprochen dünn, trug einen schäbigen Mantel aus Fellimitat mit Leopardenmuster. Die riesige Louis-Vuitton-Tasche, die neben ihr am Boden stand, war gefälscht, das stellte Braun auf den ersten Blick fest. Ihre Hände wirkten ungepflegt, die Nägel eingerissen. Am rechten Handgelenk trug sie eine große Armbanduhr, die teuer und vor allem echt aussah. Aber das passte nicht zum Gesamteindruck der Frau, die Braun trotz des verlebten Gesichts nicht älter als dreißig schätzte. Alles an ihr wirkte wie eine Fälschung, das sagte ihm sein Instinkt als Polizist. Dazu passten auch die brutal schwarz gefärbten Haare und die protzige Designerbrille, die zu groß für ihr verwirrtes, unnatürlich bleiches Gesicht war. Als sich die Frau eine Zigarette anzündete, schob sie für einen kurzen Augenblick ihre dunkle Sonnenbrille hoch und ihr Blick kreuzte sich mit dem von Braun. Einen kurzen Augenblick verharrten ihre blauen Augen auf Braun, doch das reichte ihm, um festzustellen, dass sie erst kürzlich geweint hatte.
Als sie bemerkte, dass er sie beobachtete, verzog sie angewidert das Gesicht, kramte hektisch in ihrer Tasche umher und fischte einen übertrieben großen goldenen Lippenstift hervor. Mit vor Kälte zitternden Fingern versuchte sie ihn zu öffnen, dabei rutschte er ihr aus der Hand, fiel zu Boden und rollte über den leicht abschüssigen Platz direkt auf Brauns Stehtisch zu. Noch ehe die Frau reagieren konnte, hatte Braun die Fahrt des Lippenstifts mit dem Stiefel gestoppt und ihn aufgehoben.
„Er ist heil geblieben.“ Als er den Lippenstift auf ihren Stehtisch legte, sah er, dass jemand auf der goldenen Spiegelfläche mit einer Nadel ungelenk „For Lola“ eingeritzt hatte.
„Danke!“
Die Stimme der Frau klang abweisend und auch Braun hatte keine Lust, sich mit ihr zu unterhalten. Er ging zu seinem Stehtisch zurück und widmete sich wieder seinem Bier. Die Frau zog sich die Lippen nach und verschwand zwischen den Containern im Nebel.
Nachdenklich sah Braun der dünnen, leicht schwankenden Gestalt hinterher, die in dem dunstigen Grau verschwand und war sich nicht sicher, ob sich die Frau noch einmal umgedreht hatte oder ob auch das nur eine Täuschung war. Dann machte er sich auf den Weg, um noch schnell eine Pizza zu besorgen, bevor er seinen Sohn Jimmy abholen musste.
Irgendwo hinter den Containern, verschluckt vom Nebel startete auf der anderen Seite des Hafenbeckens ein Auto, Scheinwerfer
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