Freunde müssen töten - Thriller (German Edition)
nicht wahrhaben und sagte stattdessen betont fröhlich und enthusiastisch: „Ich muss jetzt nach Hause, morgen nach der Schule bin ich wieder bei dir, Phil. Dann bringst du mir die Kunststücke bei! Versprochen!“
Traurig schüttelte Phil den Kopf.
„Nein, mein Junge. Morgen habe ich eine Verabredung. Da kann ich dich nicht brauchen.“ Er schnäuzte sich in den Ärmel seines Kamelhaarmantels. „Aber ich bin noch nicht fertig mit meiner Geschichte. Du musst dich um die Tauben kümmern, Jimmy. Verstehst du?“
„Und du, Phil?“, stotterte Jimmy.
„Ich mache eine Reise ans Ende der Nacht“, murmelte Phil.
„Kapiere ich nicht.“ Jimmy runzelte die Stirn und sah Phil fragend an. Doch dieser ging nicht auf die Frage ein, sondern redete einfach weiter.
„Es gibt mitten in der Stadt ein Taubenhaus. Dahin bringst du alle meine siebenundvierzig Lieblinge. Dort sind hunderte von Tauben, die sich in dem Gebäude eingenistet haben. Ich habe es zufällig bei meinen Streifzügen durch die Stadt entdeckt. Da werden sich meine Lieblinge wohlfühlen.“ Er leckte sich die Lippen und blickte versonnen zu dem nur schemenhaft erkennbaren Baumarkt, dessen rotes Logo den Schneeregen blutrot beleuchtete.
„Wo genau ist dieses Taubenhaus? Ich habe noch nie davon gehört“, fragte Jimmy zögernd.
„Es ist das Gebäude der ehemaligen Stadtbücherei. Du weißt schon, schräg gegenüber vom Museum. Du wirst es schon finden. Damian wird dir den Weg weisen. Er hat mich immer dorthin begleitet.“ Mit schweren Schritten ging Phil wieder auf die Taubenkäfige zu und riss einen Stofffetzen von einem der Gitter. Langsam band er sich das bunte Tuch über den Kopf, um sich so vor dem Schneeregen zu schützen. Auf Jimmy wirkte er jetzt wie die Hexe aus einem seiner Kinderbücher. Phil öffnete die Tür des Käfigs und nahm eine schwarze Taube heraus, die seinen ausgestreckten Arm entlang bis zu seiner Schulter spazierte. Als sie auf seiner Schulter angekommen war, zupfte sie mit dem Schnabel Fäden aus dem Stofffetzen auf Phils Kopf.
„Damian, das ist Jimmy, du kennst ihn ja schon“, sagte er dann und drehte sein Gesicht zu der Taube. „Du wirst ihm das Taubenhaus in der Stadt zeigen und ihn begleiten. Weiche nie von seiner Seite. Hast du verstanden!“ Zu Jimmys Verblüffung nickte die Taube und begann laut zu gurren. Phil lächelte glücklich und seine verquollenen blutunterlaufenen Augen füllten sich wieder mit Tränen.
„Jetzt mach, dass du verschwindest, mein Junge! Es ist verdammt kalt hier oben. Los, weg, du erkältest dich sonst noch! Komm in den nächsten Tagen wieder vorbei! Damian wird dir zeigen, was zu tun ist. Jetzt hau ab!“
Mit gesenktem Kopf ging Jimmy über das Flachdach, vorbei an den Käfigen, die mit ihren Planen, Teppichen und Stofffetzen wie traurige Flüchtlingscamps aus einem längst vergangenen Jahrhundert aussahen. Durch den Motorenlärm der nahegelegenen Stadtautobahn und dem Heulen des Windes hörte er die Tauben gurren. Dieses Gurren hatte er noch im Ohr, als er über den vermüllten Parkplatz zur Busstation lief, um nach Hause zu fahren.
38. Sowjetsterne auf Brustwarzen
Die Wucht der Beats traf Tony Braun direkt im Magen und für einen kurzen Augenblick blieb ihm die Luft weg. Durch die Laserblitze und das Stroboskoplicht bahnten sich Kim Klinger und er einen Weg durch die tranceartigen Tänzer, hin zu den auf Podesten stehenden Käfigen, in denen halb nackte Mädchen tanzten oder auf Stangen aufreizend akrobatisch ihren Körper zur Schau stellten.
Im Sub Club, in einer ehemaligen sowjetischen Schiffswerft im alten Industriehafen von Bratislava, tanzten schon am frühen Abend an die 1.000 Menschen zu den donnernden Beats, die aus turmhohen Lautsprechern in die Halle dröhnten. In gut zehn Metern Höhe jagten beleuchtete Kräne über die Tanzenden, an denen große Käfige mit ausgestopften Bären und Wölfen hingen. Ein Wasserbecken an der Seitenwand mit einem original sowjetischen Patrouillenboot reichte direkt in die Donau hinaus und war mit Unterwasserscheinwerfern in allen Farben taghell erleuchtet. An einer fast dreißig Meter langen Wand war oberhalb der Bühne für DJ und Tänzer eine Stahlempore eingezogen worden, von der aus die VIP-Gäste mit ihrer eigenen Bar einen perfekten Überblick über den riesigen Dancefloor hatten. Von dieser Stahlempore führte eine Galerie mit kleinen Separees in fünf Meter Höhe rund um die gesamte Halle.
„Warum will sich der Modelchef hier mit
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