Freunde müssen töten - Thriller (German Edition)
dir treffen und nicht in der Agentur?“, brüllte Braun Kim ins Ohr.
„Wahrscheinlich will er mich damit beeindrucken!“, schrie Kim zurück und deutete auf die Treppe, die zur VIP-Area führte und die von zwei Männern in schwarzen Anzügen bewacht wurde.
Braun war ziemlich überrascht gewesen, dass Kim so schnell einen Termin bei Sherban, dem Eigentümer von Madonna Models, bekommen hatte. „Weißt du, Braun“, hatte Kim gesagt, „wenn die deutsche Vogue ein Interview will, dann hat man immer Zeit.“ Seit ihrer Fahrt nach Bratislava duzten sie sich und Braun gefiel, dass Kim sich spontan für „Braun“ als Anrede entschieden hatte. „Tony klingt zu sehr nach jungem Schnösel, Braun hingegen passt für einen richtigen Mann.“
Endlich hatten Braun und Kim den Bühnenrand erreicht, wo das Gedränge nicht ganz so bedrohlich war wie in der Mitte der Halle. Die Luft war so stark alkohol- und rauchgeschwängert, dass ihnen das Atmen schwerfiel.
„Ich habe eine Verabredung mit Sherban. Ich bin von der deutschen Vogue!“, sagte Kim zu einem der Männer im schwarzen Anzug. Ohne seine Miene zu verziehen, holte er ein Handy aus seiner Sakkotasche und drückte eine Taste. Braun konnte nicht verstehen, was er sagte, aber dann machte der Mann den Eingang frei und führte sie die Treppe nach oben auf die Empore. Das Erste was Braun oben sah, war eine ungefähr zwanzig Meter lange Bar aus goldgelbem Onyx, die indirekt beleuchtet war und unergründlich schimmerte. Auf der Bar tanzten ein Dutzend dünner Mädchen mit langen Haaren, die sie in kreisenden Bewegungen um ihre Köpfe schleuderten. Sie trugen nichts weiter als klobige Militärstiefel, Camouflageshorts und rote Sowjetsterne, die sie über die Brustwarzen geklebt hatten. Immer wieder wurde eines der Mädchen von den johlenden VIP-Gästen kopfüber von der Bar gezogen, mit Wodka aus 10-Liter-Flaschen abgefüllt, hochgehoben und über die Köpfe der tobenden Menge wieder auf die Bar gestellt, wo sie zu dem brutalen Techno weiterstampften.
„Keine von denen ist älter als sechzehn!“, brüllte Braun Kim ins Ohr, doch diese schien ihn nicht zu hören. Sie hatte nur Augen für einen kleinen Mann mit rasiertem Schädel, der über seinem nackten Oberkörper einen langen Zobelpelzmantel trug und jetzt mit einem breiten Grinsen auf Kim zusteuerte.
„Die Redakteurin von der deutschen Vogue!“, brüllte er schon von Weitem. „Da haben sie ja die schönste Redakteurin zu mir geschickt!“ Er nahm Kims Hand und deutete einen Handkuss an. „Ich bin Sherban! Ich leite die professionellste Modelagentur in ganz Osteuropa. Mit den schönsten Models.“ Stolz wies er mit seiner Hand auf die tanzenden Mädchen, die in der Zwischenzeit mit dicken Wasserschläuchen abgespritzt wurden und deren nassen, wirbelnden Haare Wasserfontänen durch die Luft sprühten.
„Katja, Wodka für unsere Redakteurin von der deutschen Vogue!“, schrie Sherban einem Mädchen zu, das in einem winzigen Bikinislip mit Piercings in den Brustwarzen hinter Sherban aufgetaucht war. Braun bemerkte sofort die unnatürlich geweiteten Pupillen des Mädchens, erkannte auch die verräterischen Einstichnarben in den Armbeugen, als ihnen Katja eisbeschlagene Wodkagläser reichte. Braun tippte Kim auf die Schulter und erst jetzt schien ihn Sherban überhaupt zu bemerken.
„Und Sie sind?“, fragte Sherban und betrachtete Braun abschätzig von oben bis unten.
„Ich bin einfach Braun und mache die Fotos.“
„Wenn Sie sich anstrengen, habe ich vielleicht einen Fotojob für Sie“, betonte Sherban dann herablassend und Braun konnte in seinen kalten Augen sehen, dass es eine seiner Standardfloskeln war, mit denen er demonstrierte, wer hier den Ton angab.
„Gehen wir doch nach hinten an unseren Tisch“, sagte er lächelnd zu Kim, nahm sie galant am Arm und führte sie nach hinten an einen niedrigen Tisch, um den unzählige Kissen gruppiert war und in deren Mitte ein mit rotem Samt ausgeschlagenes niedriges Sofa stand, in dessen Rückenlehne eine weinende Madonna, umringt von weißen Tauben, gestickt war.
Mit einer herrschaftlichen Geste ließ sich Sherban auf das Sofa fallen und zog Kim gleich mit sich. Katja reichte ihm eine überdimensionierte Zigarre, gab ihm Feuer und hielt den Arm mit einem gläsernen Teller in die Höhe wie ein lebender Aschenbecher. Auf dem Tisch standen mehrere 10-Liter-Wodkaflaschen, Kübel mit Eis, kleine Taschenspiegel, die das Technolicht reflektierten, silberne
Weitere Kostenlose Bücher