Freundinnen wie diese - Koslow, S: Freundinnen wie diese
Alternative.
Talia und Chloe folgten ihr, bis sie zu einem glänzenden Kronleuchter aus Messing kamen, der genauso groß war wie der darunterstehende zerkratzte Eichentisch. »Esszimmer«, verkündete Quincy nur und trat auf die vier vorhanglosen Flügelfenster zu, die nach Westen hinausgingen. Zwischen zwei Gebäuden hindurch war ein Streifen des etwa einen Block entfernten Hudson River zu sehen. Quincy öffnete eins der Fenster einen Spaltbreit und ließ kalte Luft herein. »Tut mir leid – hier drin ist es immer warm wie in einem Ofen.« Und auch nicht gerade ruhig – das Rumoren der Heizkörper machte glatt der Schlagzeugabteilung eines kleinen Orchesters Konkurrenz. »Warum seht ihr euch nicht einfach um?« Und mit diesen Worten verschwand Quincy.
Chloe griff nach Talias Hand und drückte sie fest. »Hier müsste zwar einiges renoviert werden –«
»Aber wir haben doch noch gar nicht alles gesehen.«
Die erste Tür von der langen Diele aus gehörte zu einem Schlafzimmer, das bis auf einen Schaukelstuhl leer war. Auf den abblätternden Tapeten klammerten sich lila Schwertlilien an einen grünen Hintergrund. Die nächste Tür führte in ein Badezimmer. »Eine Wanne mit Klauenfüßen«, schwärmte Chloe. Eine altertümliche Badewanne, makellos und ganz tief. Sie sah sich schon im Badeschaum versinken und erlaubte ein paar optimistischen Blasen, an die Oberfläche ihrer Träume von der großen Stadt zu steigen. Dann ging sie mit Talia in die Diele zurück. Hinter den nächsten zwei Türen lagen Schlafzimmer, beide mit einem Wandschrank so groß wie eine Kammer. Und die letzte führte in einen noch größeren Raum, dessen Eisenbett frisch bezogen war. Der Blick aus dem Fenster auf den Fluss war überwältigend. Der Hudson River schien geradezu nach Aufmerksamkeit zu schreien. Chloe blinzelte in die Sonne, drehte sich zu Talia um, und zum ersten Mal an diesem Nachmittag hatte sie das Gefühl, dass aus ihren Schultern alle Anspannung gewichen war.
»Besser mal abwarten«, sagte Talia. »Wahrscheinlich sind wir Nummer fünfzig und einundfünfzig auf der Warteliste.« Der Klang einer Trompete wehte zu ihnen herüber. Wynton Marsalis? Miles Davis? Talia hatte erst vor zwei Monaten, als sie nach Manhattan zog, den Jazz entdeckt; und obwohl sie wusste, dass sie lieber jeden Cent sparen sollte, kaufte sie sich nun eine neue CD, wann immer sie einen Scheck einlöste.
Chloe und sie kehrten ins Esszimmer zurück, wo Quincy auf einem Holztablett ein Stück Cheddar, Apfelschnitze, Cracker und noch eine vierte Speise – klein, rund und bräunlich – angerichtet hatte. Hohe Gläser, mit Eis und sprudelndem Mineralwasser gefüllt, standen daneben. »Wollt ihr auch die Küche sehen?«, fragte Quincy und führte ihre Gäste durch eine Tür mit Glasscheibe. »Könnt ihr kochen?«
»Ich lern’s gerade erst, und Chloe auch«, sagte Talia zu Quincys Rücken. Sie würde auf jeden Fall für sich behalten, dass sie inspiriert von Mollie Katzens ›Moosewood-Kochbuch‹ zurzeit an der Schwelle des Vegetarismus stand und dass Chloe außer Mais am Kolben alles Gemüse ablehnte. »Und du?«
Quincy lächelte breit. Auf den zweiten Blick war die Lücke zwischen ihren Schneidezähnen ein wirklicher Vorteil, dachte Talia. »Mein Freund war fürs Kochen zuständig, aber der ist Geschichte.«
Lieber Gott,
betete Talia,
lass das hier nicht das Heartbreak Hotel sein,
denn Quincy Peterson gefiel ihr eigentlich, und die Wohnung gefiel ihr sogar noch besser. »Mein Beileid«, erwiderte sie.
Quincy wedelte mit der Hand, wie um eine bedeutungslose Erinnerung wegzuwischen. »Als er mir freiwillig diese Acht-Zimmer-Wohnung mit festem Mietpreis überließ, wusste ich, dass er mich betrügt. Schuldgefühle sind die ultimative Motivationskraft, findet ihr nicht auch?«
In den kommenden Jahren würden Talia und Chloe nochviel über diese Frage nachdenken, doch im Moment ging es ihnen nur um die Wohnung. Die Küche war geräumig und schlicht eingerichtet mit einem avocadogrünen Kühlschrank und weißen Küchenschränken mit Glasfronten, die bis an die Decke reichten. Chloe rutschte begeistert in die Sitzecke aus Kiefernholz. »So eine Küche wollte ich schon immer haben, seit ich ›Goldlöckchen und die drei Bären‹ gelesen hab«, rief sie im fröhlichen Ton eines kleinen Mädchens aus.
Herrje, ist dieses Herzchen tatsächlich echt?,
fragte sich Quincy, führte die beiden ins Wohnzimmer zurück und forderte sie mit einer Geste
Weitere Kostenlose Bücher