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Frevel im Beinhaus

Frevel im Beinhaus

Titel: Frevel im Beinhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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kroch Adelina bis zur Tür und stemmte sich dagegen. Sie wackelte zwar ein wenig, doch es war offensichtlich, dass Emilianus sie von außen irgendwie gesichert hatte. Mit fliegenden Fingern tastete sie an den Rändern der Tür entlang in der Hoffnung, dabei ein schadhaftes Scharnier zu finden. Es schien jedoch, als hätte diese Tür die Jahrhunderte in außergewöhnlich gutem Zustand überdauert. Zwar spürte sie etwas Rost unter ihren Fingerspitzen, aber nichts, was sie ermutigt hätte, zu glauben, sie könne die Tür irgendwie mit Muskelkraft öffnen.
    Was also nun? Es blieb ihr nichts anderes übrig, als abzuwarten, bis der Geistliche zurückkehrte – wenn er das überhaupt vorhatte. Eine Gänsehaut rann ihr das Rückgrat hinab bei dem Gedanken, er könne sie ebenso gut hier drinnen verhungern lassen. Nein. Adelina schüttelte sich. Siewürde sich eher die Seele aus dem Leib schreien, als sich diesem Schicksal zu überlassen.
    Bei genauer Betrachtung kam sie allerdings zu dem Schluss, dass Emilianus sehr wohl wiederkommen würde. Er hatte ihr nicht einfach nur ein Schauermärchen erzählt. In der kommenden Nacht war tatsächlich Vollmond. Er würde also zurückkehren – vielleicht mit seinem Helfer Michel – und sein grausiges Werk vollenden wollen.
    Auch wenn allein die Vorstellung sie zittern ließ, bemühte Adelina sich um einen klaren Kopf. Sie musste ihm entkommen. Wenn er noch einmal durch diese Tür trat, würde sie ihn angreifen oder sich zumindest mit aller Kraft zur Wehr setzen. Ihr Kindlein würde er nicht seinen höllischen Dämonen zum Fraß vorwerfen. Eher würde sie ihm das Herz mit bloßen Händen herausreißen.
    Da ihre Knie auf dem harten Steinboden zu schmerzen begannen, wollte sie aufstehen, doch im gleichen Moment schoss ihr ein heftiges Ziehen durch den Rücken. Erschrocken rang sie nach Luft, drehte sich vorsichtig um und setzte sich hin, den Rücken gegen die Wand gelehnt. Sie atmete tief ein und aus, um den Schmerz zu vertreiben. Erst als er langsam nachließ, erkannte sie ihn. «Nein!», sagte sie laut und merkte dabei, wie jämmerlich ihre Stimme klang. Sie durfte jetzt keine Wehen bekommen. Es war noch viel zu früh für das Kind, und ganz sicher wäre sie niemals in der Lage, es hier in der Grabkammer ganz allein zur Welt zu bringen. «Nein!», wiederholte sie etwas lauter und entschlossener. «Nicht jetzt!» Sie versuchte sich zu entspannen und wieder gleichmäßig ruhig zu atmen. Da der Schmerz keine Anstalten machte zurückzukehren, beruhigte sich ihr Herzschlag allmählich.
    Plötzlich nahm sie vor der Tür ein Geräusch wahr. Zweige knackten. Im ersten Moment war Adelina wie erstarrt. Kam Emilianus etwa zurück? Wollte er sein Opfer doch liebergleich jetzt darbringen? Vielleicht war es aber auch ein Bauer oder sonst irgendjemand, der ihr hier heraushelfen konnte. Gerade wollte sie Luft holen, um zu rufen, da kratzte etwas an der Tür.
    «Mutter, geht es dir gut?»
    Adelina fuhr hoch und starrte in der Finsternis in Richtung Tür. «Griet? Bist du das?»
    «Ja, Mutter, ich bin es. Und Mira.»
    «Mira?»
    «Ja, Meisterin», erklang die Stimme ihres Lehrmädchens. «Wir sind Euch heute Nacht gefolgt, als Ihr in die Gänge unter dem Keller gegangen seid.»
    «Ihr habt was getan?» Adelina wusste nicht, ob sie erleichtert oder verärgert sein sollte.
    «Wir konnten dich doch nicht alleine da runtergehen lassen», übernahm nun wieder Griet das Wort. «Ein paarmal war es ganz schön schwierig, dich nicht zu verlieren. Vor allem, als du in den Turm der Ulrepforte gegangen bist.»
    «Wir haben uns erst nicht getraut, hinterherzugehen», berichtete Mira weiter. «Aber dann dachten wir, was passiert, wenn Ihr Euch verlauft oder verletzt … also haben wir uns reingeschlichen. War gar nicht schwierig, weil die Wachmänner noch oben in der Stube geredet haben. Aber die kleine Tür im Turmkeller hätten wir fast übersehen.»
    «Wisst Ihr eigentlich, wie gefährlich das war?», schimpfte Adelina halbherzig.
    «Ja, Mutter», antwortete Griet. «Aber dafür haben wir alles mitbekommen, was Vater Emilianus gesagt hat. Will er wirklich dein Kind … ich meine …»
    «Ich fürchte ja.» Adelina versuchte sich etwas bequemer hinzusetzen, doch das kalte Gemäuer tat ihrem Rücken nicht gut. «Geht und holt Hilfe, so schnell ihr könnt. Oder lässt sich die Tür von außen öffnen?»
    «Er scheint wahnsinnig zu sein», vermutete Mira. «Was er gesagt hat, war vollkommen wirr. Einerseits wettert er

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