Frevel im Beinhaus
Himmel verdrehen. Der Erzbischof selbst wird den Reinigungsgottesdienst abhalten, nachdem man die üblen Ketzer dem Feuer übergeben hat.»
Adelina wurde kalkweiß und machte noch einen Schritt rückwärts. «Wa … warum tut er das?», stammelte sie.
«Wer?» Vater Emilianus legte überrascht den Kopf auf die Seite.
Verzweifelt bemühte Adelina sich, ihre Stimme unter Kontrolle zu bringen. «Der Erzbischof. Warum will er ausgerechnet alles auf Neklas schieben?»
«Der Erzbischof?» Nun schien der Geistliche deutlich verwirrt.
«Und warum will er selbst zum Ketzer werden, indem er sich mit höllischen Mächten zu verbinden versucht?»
«Was redet Ihr da?» Verblüfft fuhr sich Emilianus mit gespreizten Fingern durchs Haar. «Der Erzbischof hat doch nicht …» Da lachte er plötzlich auf. «Liebes bisschen, das also glaubt Ihr?» Kopfschüttelnd kam er näher und zwang Adelina damit zu einem weiteren Rückzug, der jedoch abrupt endete, als sie mit dem Rücken gegen einen der Steinsärgestieß. «Meine liebe Meisterin Burka, da seid Ihr einem Irrtum aufgesessen. Wie kommt Ihr denn darauf, Friedrich III. von Saarwerden, seines Zeichens Kurfürst des Reiches, würde sich der Teufelsanbeterei verschreiben? Das, meine Liebe, ist absurd.»
«Aber …» Hektisch schluckte Adelina. «Wir dachten … Er und die anderen Kurfürsten planen doch, den König zu stürzen, und dazu benötigen sie bestimmt viel Gold …»
«Gold?» Emilianus runzelte die Stirn, dann lachte er wieder. «Aber sicher! Ihr glaubt, er will sich den Beistand der Dämonen für die Goldherstellung sichern! Das ist köstlich, also wirklich.» Seine Miene wurde wieder ernst. «Nein, meine Liebe, mit alchemistischen Experimenten hat der Pakt mit dem Teufel nichts zu tun.» Er musterte sie grimmig. «Mit unserem vortrefflichen König Wenzel allerdings sehr wohl.» Er machte noch einen Schritt vorwärts und stand nun ganz dicht vor Adelina. Entsetzt blickte sie nach links und rechts, sah aber keine Möglichkeit, ihm zu entfliehen. Stattdessen lauschte sie mit Bestürzung seinen nächsten Worten: «Friedrich will einfach nicht auf mich hören. Wie oft sagte ich ihm schon, dass er und die weiteren Kurfürsten gegen die göttliche Ordnung verstoßen, wenn sie es wagen, Wenzel zu stürzen und an seine Stelle einen der ihren zu setzen. Ruprecht von der Pfalz!» Emilianus spuckte den Namen geradezu aus. «Was soll dieser Hurensohn auf dem königlichen Thron? Soll er gar zum Kaiser gekrönt werden? Nein, das kann ich nicht zulassen.»
«Aber sagt man nicht, Wenzel sei ein schlechter König?», wagte Adelina einzuwenden. Sie hoffte, so Zeit zu schinden, damit sie sich einen Fluchtweg suchen konnte. «Es heißt doch, er sei faul und interessiere sich nur für Wein und seine Dirnen.»
«Schweigt, verdammichtes Weib!», brüllte Emilianus sie unversehens an. In seinen Augen glänzte Zorn. «Wenzelist König von Gottes Gnaden, und er hat es zu bleiben, bis er stirbt. Diese Hohlköpfe von Kurfürsten wollen nur ihre eigenen Interessen durchsetzen. Wenn sie ihn absetzen, machen sie sich einer großen Sünde vor dem Herrn schuldig.»
Vorsichtig schob sich Adelina ein Stückchen nach rechts, um einen Blick auf den Ausgang werfen zu können. Nur wenige Schritte trennten sie von der Freiheit. Wieder blickte sie dem Geistlichen ins wutverzerrte Gesicht. Erst allmählich begriff sie, was seine Worte bedeuteten. «Dann habt also Ihr diese Beschwörungen durchgeführt? Hier in dieser Grabkammer? Aber macht Ihr Euch damit nicht ebenso einer großen Sünde schuldig? Wie wollt Ihr die göttliche Ordnung ausgerechnet mit der Hilfe von Dämonen retten? Das ist doch auch Ketzerei, oder nicht?»
Emilianus schob sein Kinn vor. «Das ist das Opfer, das ich für unseren geliebten König bringen muss», sagte er. «Niemand will auf mich hören, niemand meine Argumente akzeptieren. Die Menschen in Köln sind für meine Mahnungen so taub wie überall sonst. Würden sie sich gegen Friedrich erheben … Aber nein! Sie kommen gelaufen, wenn man zu ihnen spricht, doch keiner von ihnen traut sich zu handeln! Friedrich ist bereits auf dem Weg nach Lahnstein, wo auf dem Gerichtstag über das Schicksal des Königs entschieden werden soll. Wie, wenn nicht durch die Hilfe des Satans und seiner Dämonen, soll ich die Sache jetzt noch aufhalten? Es besteht keine andere Möglichkeit mehr. Wenn ich damit auch meine unsterbliche Seele verdamme, so weiß ich doch, dass es für den guten, den einzig
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