Frevel im Beinhaus
gegen Magister Burka, weil er ein Ketzer sei, und andererseits will er den König mit der Hilfe von Dämonen retten.» Etwas klapperte an der Tür. «Nein, Meisterin, das ist ein neues und ganz solides Schloss. Das kriegen wir ohne Werkzeug nicht auf.»
«Dann lauft und holt jemanden her!»
Einen Moment lang war es still vor der Tür, dann meinte Adelina, aufgeregtes Tuscheln zu hören.
«Was ist, Mädchen? So lauft doch endlich!»
«Griet geht und holt den Hauptmann und Meister Jupp», drang Miras Stimme zu ihr. «Sie läuft, so schnell sie kann. Ich bleibe solange bei Euch und passe auf, falls jemand kommt.»
Adelina schüttelte den Kopf, obwohl doch niemand sie sehen konnte. «Nein, Mira, geh mit ihr. Es ist viel zu gefährlich, da draußen herumzulungern. Wenn Emilianus zurückkehrt, könnte er dich ebenfalls gefangen nehmen. Möglicherweise bringt er sogar diesen Michel mit.»
«Vielleicht kann aber auch ich ihn überwältigen», widersprach Mira. «Ich suche mir einen Ast – einen schweren Knüppel. Wenn er kommt, um Euch zu holen, schlage ich ihn damit nieder.»
«Nein, Mira!»
«Doch, Meisterin. Wir können nicht riskieren, dass er kommt, während wir weg sind, und Euch etwas antut. Griet ist schon losgelaufen. Erst wollte sie jemanden auf der Straße ansprechen, dass er uns hilft. Aber ich habe gesagt, das ist sinnlos, weil so früh noch kaum jemand unterwegs ist. Das Severinstor ist ja noch geschlossen. Deshalb soll sie gleich nach Hause rennen. Außerdem können wir ja nicht wissen, was die Leute denken, wenn man Euch hier findet. Am Ende glauben sie noch die schlimmen Sachen, die dieserEmilianus erzählen will, und halten Euch für eine Hexe oder so was.»
Adelina schüttelte erneut den Kopf. «Mira, das ist Unsinn. Ich bin hier eingesperrt! Geh und such jemanden, der diese Tür aufbrechen kann!» Sie rang nach Atem, als ein erneutes Ziehen ihr durch Rücken und Unterleib fuhr. Keuchend stieß sie die Luft wieder aus.
«Meisterin, ist alles in Ordnung mit Euch?», rief Mira draußen alarmiert.
«Ja – nein.» Adelina schnaufte verzweifelt. «Mira, geh endlich und hol Hilfe. Ich fürchte, das Kind kommt zu früh.»
«O nein! Nein, Meisterin, das darf nicht sein. Lieber Gott und alle Heiligen im Himmel.» Vor der Tür raschelte es. «Ich kann Euch aber doch nicht allein lassen!»
«Geh jetzt! Schlag Alarm, wenn es sein muss.» Der Schmerz ließ allmählich nach, und Adelina atmete etwas ruhiger. «Da draußen wird doch irgendwer sein, der dir helfen kann, die Tür aufzubrechen.»
«Aber …»
«Bitte, Mira!»
Das Mädchen schwieg und schien mit sich zu ringen. «Also gut, Meisterin. Ich sehe nach, ob das Stadttor mittlerweile offen ist und Leute auf der Straße sind. Ich komme, so schnell es geht, zurück.»
«Gut.» Adelina schloss die Augen und lehnte ihren Kopf gegen die Wand. «Lauf zu.» Sie hörte, wie die Schritte ihres Lehrmädchens sich entfernten, und betete dafür, dass Mira rasch jemanden fand, der sie hier herausholte.
***
Adelina schrak hoch, als ihr Kopf schwer nach vorne fiel. War sie etwa eingenickt? Verwirrt blickte sie sich um. Wieviel Zeit war verstrichen, seit Mira und Griet fortgegangen waren? Ihr Hinterteil war kalt und ganz taub; auch ihre Hände fühlten sich eisig an, obgleich es draußen bestimmt langsam warm wurde.
Sehr vorsichtig rappelte Adelina sich auf. Sie stützte sich an der Wand ab und schaffte es so schließlich, auf die Füße zu kommen. Etwas benommen ließ sie die Schultern kreisen und lauschte in ihren Körper, doch im Augenblick schien sich keine neue Wehe anzukündigen.
Wo blieb nur Mira? War es doch noch so früh, dass sie womöglich niemanden auf der Straße angetroffen hatte? Nein, die Stadttore mussten inzwischen längst geöffnet worden sein. Wo blieb das Mädchen also? Wie lange war sie schon weg? Und hatte Griet den langen Weg zum Alter Markt inzwischen zurückgelegt? Wenn man von hier aus zu Fuß ging, benötigte man eine knappe halbe Stunde, vielleicht etwas weniger. Griet würde natürlich rennen. War sie also schon bei Greverode angekommen und er und Meister Jupp bereits auf dem Weg hierher? Adelina hoffte es von ganzem Herzen.
Die Stille dort draußen machte sie nervös. Vielleicht sollte sie es doch mit Rufen versuchen. Durch die Tür hatte sie sich ja mit den Mädchen problemlos unterhalten können. Diese ging jedoch nach hinten in Richtung der Gärten und Obstbaumwäldchen. Dort würde niemand sie hören, es sei denn, es käme
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