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Frevel im Beinhaus

Frevel im Beinhaus

Titel: Frevel im Beinhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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sagte der Amtmeister Hirzelin in ruhigem Ton. «Wir alle können Eure Aufregung nachvollziehen, doch der Rat hat nun einmal Anweisung gegeben, die Räumlichkeiten aller Apotheker, Ärzte, Bader und Hebammen durchsuchen zu lassen. Seht es einmal von dieser Seite: Wenn nirgendwo ein Hinweis auf die Knochen gefunden wird, unterstreicht dies Euren guten Leumund.Ich bitte also alle Anwesenden darum, die städtischen Soldaten und Büttel bei ihrer Arbeit zu unterstützen.» Er ließ seine Worte kurz wirken und rieb sich über das schmale Kinn. «Meister Leuer», wandte er sich an den Zunftmeister zu seiner Linken. «Ich möchte nun Euch das Wort erteilen, denn auf Euren Wunsch wurde diese Versammlung einberufen.»
    Der betagte Zunftmeister Leuer erhob sich etwas schwerfällig und blickte aus wachen, forschenden und gutmütigen Augen in die Runde. Dann hob er an: «Auch wenn derzeit solch unerfreuliche Ereignisse unseren leidlich ruhigen Alltag überschatten, gehen unsere täglichen Geschäfte weiter, oder?» Er hielt einen Moment inne und fuhr schließlich fort: «Wie alle Jahre stehen uns im Herbst die Gesellenprüfungen ins Haus. Ich möchte darauf hinweisen, dass alle Lehrlinge, die ihre Prüfung ablegen sollen, bis September bei mir gemeldet werden müssen.»
    Leises Gemurmel kam auf. Diese Ankündigung wurde von Meister Leuer mit schöner Regelmäßigkeit wiederholt, obwohl sie jedem einzelnen Zunftmitglied wohlbekannt war. Einige Anwesende scharrten unter dem Tisch ungeduldig mit den Füßen.
    Leuer räusperte sich, um sich erneut Gehör zu verschaffen. «Da es in diesem Jahr eine große Anzahl neuer Gesellen geben wird, von denen etliche nach ihrer Prüfung in die Fremde ziehen wollen, werden natürlich auch wieder eine ganze Reihe von Lehrstellen frei.» Er lächelte schmal, als ringsum gehüstelt wurde. «Ich bin sicher, Ihr werten Herrn und Frauen», er blickte jeden einzelnen Mann in der Runde an und nickte zuletzt Adelina zu, «dass Ihr diese Stellen gerne alsbald wieder besetzen möchtet. Es gibt schon einige Anfragen für Lehrstellen im Kaufmannsgewerbe sowie für die Apotheken. Sie wurden selbstverständlich bereits überprüft; die Jungen erfüllen alle samt undsonders die Anforderungen, die die Zunft sowie die Gaffel an Lehrlinge stellen.» Er räusperte sich erneut. «Bis auf …» Er brach ab.
    «Bis auf was?», fragte einer der anwesenden Kaufmänner.
    Leuer lächelte etwas unsicher. «Eine der Bewerbungen gestaltet sich etwas ungewöhnlich. Es handelt sich um ein Mädchen …»
    «Ach herrje, auch das noch.» Der Kaufmann winkte ab. «Das ist nichts für mich. Mit dem Weibsvolk hat man nur Scherereien. Sie machen den Gesellen schöne Augen, und ehe man sich versieht, hat man ein schwangeres Lehrmädchen im Haus. Nein, nein, ohne mich.»
    Etwas säuerlich verzog Leuer die Lippen. «Es wäre sehr freundlich, Herr von Lünne, wenn Ihr mich ausreden lassen würdet.»
    Der Kaufmann zuckte nur mit den Schultern, woraufhin Leuer weitersprach: «Also, wie ich schon sagte, es handelt sich um ein Mädchen, das zum jetzigen Zeitpunkt gerade vier Jahre alt ist.»
    «Vier Jahre?» Amtmeister Hirzelin starrte ihn verblüfft an. «Wer will denn ein Kind in diesem zarten Alter schon in eine Lehre geben?»
    «Das will ich Euch erklären», antwortete Leuer geduldig. «Das Mädchen soll nicht sofort eine Lehrstelle erhalten, sondern erst in zwei bis drei Jahren. Der Vater will nur sichergehen, dass zum gegebenen Zeitpunkt auch eine Stelle verfügbar ist. Er hat mir in der Auswahl der Lehrstelle weitgehend freie Hand gelassen …» Sein Blick wanderte in die Runde und blieb schließlich an Adelina hängen. «Da in drei, möglicherweise auch schon zwei Jahren bei Euch, Meisterin Burka, eine Stelle frei werden dürfte, dachte ich an Eure Apotheke.» Er lächelte gewinnend, als er Adelinas überraschte Miene sah. «Eure Mira wird die Gesellenprüfungganz sicher bestehen, nicht wahr? Ihr erwähntet ja schon oft, wie talentiert sie ist.»
    «Das ist sie in der Tat», bestätigte Adelina. «Ich hatte mir nur zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Gedanken über einen neuen Lehrling gemacht. Wer ist dieses Mädchen, von dem Ihr sprecht? Wie heißt sie, und woher kommt sie?»
    Leuers Lächeln vertiefte sich. «Ihr Name ist Lucardis Greverode. Sie ist die Tochter des Hauptmanns der Stadtsoldaten. Ihre Mutter verstarb kurz nach ihrer Geburt, deshalb wird sie von ihrer Großmutter aufgezogen, denn Hauptmann Greverode … nun ja.» Leuer

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