Frevel im Beinhaus
ihrem Rundgang durch die Zimmer. Zum Schluss stieg sie aus alter Gewohnheit in die kleine Dachkammer hinauf, die von Griet bewohnt wurde. Leise öffnete sie die Tür und streckte den Kopf in den Raum.
Ihre Stieftochter schlief bereits fest. Sie hatte sich unter ihrer Decke zusammengerollt und eine Faust unter ihre Wange geschoben. Auf dem Tisch neben dem Bett saß ein Püppchen, das Licht einer kleinen Öllampe flackerte – ein Überbleibsel aus Griets erster Zeit hier im Haus. Auch wenn sie mittlerweile ein fröhliches Mädchen geworden war, die Angst vor der Dunkelheit hatte sie bis heute nicht ganz überwunden.
Adelina trat still an das Bett und betrachtete das Gesicht des Mädchens voller Zuneigung. Griet war ihr ans Herz gewachsen wie ihr eigenes Kind. Zärtlich strich sie ihr eine schwarze Haarlocke aus der Stirn und löschte die Flamme der Öllampe.
Sie war gerade am Fuß der schmalen Stiege angelangt, als Moses neben ihr ein leises Knurren ausstieß. Überrascht blickte sie auf den Hund hinab, dessen Nackenhaare sich sträubten. «Was ist denn los?», fragte sie leise.
Moses blickte kurz zu ihr hinauf und knurrte erneut, diesmal deutlich lauter und drohender.
Adelina spürte unwillkürlich eine Gänsehaut auf den Armen. «Lungert jemand draußen vor dem Haus herum? Bestimmt ein Saufbruder oder ein Herumtreiber», sagte sie leise. Sie lauschte angestrengt, doch nur das vertraute Knarren des Hauses war zu hören.
Moses stieß ein raues Bellen aus und stürzte plötzlich an ihr vorbei die Treppe ins Erdgeschoss hinab. Sie hörte ihn an der Hintertür kratzen und wieder knurren.
Rasch stieg sie selbst die Stufen hinab und stieß unten beinahe mit Ludowig zusammen. Sein Oberkörper war nackt, und offenbar war er sehr schnell in seine Hose gestiegen. Verlegen blickte er sie an. «Herrin, was ist denn mit dem Hund los? Soll ich mal nachsehen, ob draußen jemand ist?»
Adelina stimmte zu. «Mach das bitte. Wahrscheinlich hat Moses nur einen verirrten Saufbruder gehört, aber man kann ja nie wissen.»
Ludowig ging an ihr vorbei zur Hintertür und schob den Riegel zurück. Kaum hatte er die Tür einen Spalt weit geöffnet, als der Hund sich auch schon hindurchzwängte und kläffend in den Garten schoss.
«Vielleicht ist da eine fremde Katze», vermutete Ludowig und folgte Moses, in der Hand ein kleines Talglicht, das Franziska ihm gereicht hatte. Die kleine Magd hatte sich fest in ihre Decke gewickelt.
«Wahrscheinlich dieser fette schwarze Kater», sagte sie kichernd und zog sich rasch in ihr Bett zurück.
Adelina wartete, bis Ludowig wieder zurückkam. Achselzuckend betrat er das Haus. «Nichts zu sehen.»
Nun trat Adelina selbst an die Hintertür und versuchte in der Dunkelheit etwas zu erkennen. Irgendwo raschelte es, und sie befürchtete schon, der Hund würde in ihren Gemüsebeeten wühlen. «Moses!», rief sie leise. «Komm herein!»
Sie vernahm einen Laut, der irgendwo zwischen Knurren und Bellen lag. «Moses!», rief sie energischer. «Jetzt ist nicht die Zeit, Katzen oder Ratten zu jagen!»
Schließlich kam der Hund herbei, blickte sich jedoch mehrmals um. Es schien, als gehorche er nur äußerst unwillig. Sie lotste ihn ins Haus und schloss ab, dann ging sie wieder hinauf.
In ihrer Schlafkammer brannte noch ein kleines Licht. Neklas lag bereits im Bett und blinzelte ihr verschlafen entgegen. «Was war denn los?»
Adelina zuckte mit den Schultern. «Ich weiß es nicht. Moses hat irgendetwas gehört, aber im Hof und im Garten war niemand.»
«Vielleicht hat ein Bettler versucht, in den Hof einzudringen», vermutete Neklas gähnend und schloss die Augen wieder. «Wäre ja nicht das erste Mal.»
«Hm.» Adelina schälte sich aus ihrem Kleid und kroch unter ihre Decke. «Wusstest du, dass Tilmann Greverode eine kleine Tochter hat?», fragte sie.
«Wie?» Neklas’ Augenlider zuckten leicht.
Sie seufzte. «Ach, nichts.» Rasch löschte sie das Licht, zog die Decke hinauf bis zum Kinn und schloss ebenfalls die Augen.
Sie war schon fast eingeschlafen, als sie meinte, erneut ein wütendes Knurren zu hören. Doch beschwören konnte sie es nicht.
***
Mit stoischer Miene sah Adelina den beiden Bütteln dabei zu, wie sie zuerst ihre Apotheke und dann ihr gesamtes Haus durchsuchten. Meister Winkler hatte mit seiner Prophezeiung recht behalten – auch Jupps Räume sowie das Zimmer, in dem Neklas sich eingerichtet hatte, waren bereits in Augenschein genommen worden.
Auch wenn es sich seitens des
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