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Frevel im Beinhaus

Frevel im Beinhaus

Titel: Frevel im Beinhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Schier
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fröhlich. «Ich will auch ein Ritter sein – und ein Pferdchen haben.»
    Adelina setzte sich auf die Kante seines Bettes. «Dazu musst du aber erst noch ein bisschen größer werden», erklärte sie und kämpfte mit den Tränen.
    «Ich bin schon groß», sagte Colin voller Ernst. «Aber ich kann ganz viel größer werden. Gleich morgen.»
    Nun musste Adelina wider Willen doch lächeln. «O ja, Colin, du wirst einmal ein großer stattlicher Mann, nicht wahr?»
    «Ich werde Ritter», verkündete er begeistert. «Und Bäcker.»
    «Bäcker?»
    «Dann mach ich immer leckere Pasteten», erklärte er. «Und dann kriege ich ein Pferdchen und alles.»
    «Ganz bestimmt.»
    «Und dann werde ich wie Papa.» Colin legte den Kopf auf die Seite und blickte zu ihr auf. «Wann kommt Papa wieder?»
    Der Schmerz, der Adelinas Herz verkrampfen ließ, kam so plötzlich, dass ihr für einen Moment die Luft wegblieb. Vergeblich rang sie um Fassung, konnte jedoch nicht verhindern, dass ihr die Tränen in die Augen stiegen und über ihre Wangen rollten.
    Erschrocken rappelte Colin sich auf und machte zweiSchritte auf sie zu. Er berührte sie vorsichtig an ihrem Rock. «Mama?» Seine helle Jungenstimme klang unsicher.
    Mit einem leisen Schluchzen zog sie ihren Sohn an sich und drückte ihn. Dabei streichelte sie ihm wieder und wieder sanft über die schwarzen Löckchen. «Bald, Colin. Ich hoffe, dass dein Vater ganz bald wieder bei uns ist.»
    ***
    Das Gewitter, auf das die Bewohner Kölns schon so lange gewartet hatten, entlud sich noch am selben Abend. Beinahe eine Stunde lang grollte der Donner und gingen Blitze über der Stadt nieder. Schließlich öffnete der Himmel seine Schleusen, und ein wahrer Sturzbach ergoss sich aus den tief hängenden Wolken.
    Adelina hatte alle Fenster und Türen fest verschließen lassen, doch da der heftige Wind, der mit dem Gewitter aufgekommen war, inzwischen wieder nachließ, hatte sie die Fensterläden in ihrer Schlafkammer nun wieder geöffnet und blickte schweigend auf den dunklen Alter Markt hinab. Es war schon spät, in weniger als einer Stunde würden die Glocken von Groß St. Martin zur Komplet läuten, aber an Schlaf war nicht zu denken. Sie fühlte sich matt und wie gerädert – und zugleich war sie von einer inneren Unruhe erfüllt, die sie ganz kribbelig machte. Unablässig drehten sich ihre Gedanken um Neklas und wie es ihm wohl in seiner kalten, unwirtlichen Zelle ergehen mochte. Sie sehnte sich nach ihm und hatte das Gefühl, ihr Herz werde von einer eisernen Kralle fest zusammengepresst.
    Sie fühlte sich so hilflos. Wie sie es auch betrachtete, ihr fiel beim besten Willen kein Grund ein, warum jemand Neklas auf diese Art und Weise schaden wollte. In Gedanken ging sie wieder und wieder sämtliche Menschen durch, mit denen sie bekannt waren, versuchte sich zu erinnern, ob jemandvon ihnen einen Groll gegen sie oder Neklas hegte, doch niemand fiel ihr ein. Seit die neue Stadtverfassung, der Verbundbrief, in Kraft getreten und von König und Erzbischof abgesegnet worden war, hatte sich das Leben in Köln langsam beruhigt. Die Rädelsführer der aufrührerischen Patrizier, die durch den Aufstand der Zünfte und Gaffeln entmachtet wurden, waren inzwischen wegen Hochverrats hingerichtet worden. Allen voran der Ritter Hilger Quattermart von der Stesse, dessen Machenschaften Adelina in der Vergangenheit mehr als einmal in Bedrängnis gebracht hatten. Aber auch an vielen seiner Verbündeten hatte der Scharfrichter in den vergangenen drei Jahren das Urteil vollzogen. Von dieser Seite gab es wohl niemanden mehr, der sich mit Groll daran erinnern mochte, welche Rolle Adelina und Neklas bei der Verschwörung der Patrizier gespielt hatten.
    Der Wind frischte wieder etwas auf, deshalb schloss Adelina die Fensterläden, nahm die kleine Öllampe, die auf der Truhe neben ihrem Bett stand, und ging leise hinunter in die Küche, um sich zu vergewissern, dass das Herdfeuer richtig abgedeckt war.
    Moses und Fine blinzelten ihr verschlafen entgegen. Die beiden Tiere hatten sich unter der Ofenbank zusammengerollt und aneinandergekuschelt. «Ihr habt es gut», murmelte sie, fast ein wenig neidisch. «Eure einzige Sorge ist ein trockener Schlafplatz und ein gefüllter Napf, nicht wahr?» Sie bückte sich und strich erst der Katze, dann dem Hund sanft über den Kopf. Als sie sich wieder aufrichtete, hörte sie ein Geräusch hinter sich.
    «Schleicht Ihr auch noch des Nachts durch mein Haus, Hauptmann Greverode?»,

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