Frevel: Roman (German Edition)
Gesicht einer Frau an. Es ist nicht Dees Frau. »Ich bitte um Verzeihung. Ist deine Herrin zu Hause?«
Sie wendet sich ab; ich höre Schritte und leise Stimmen, dann wird die Tür ein Stück weiter geöffnet. Hinter der mürrischen Dienerin erkenne ich Jane Dee, die ins Licht tritt, als sie die Tür hinter mir schließt. Der kleine Arthur klammert sich an ihre Röcke und blickt argwöhnisch zu mir auf.
»Doktor Bruno.« Sie lächelt, wirkt aber angespannt. Das Baby auf ihrer Hüfte reibt sich mit seinem winzigen Fäustchen die Augen und stößt dabei gegen die Leinenkappe auf seinem Kopf, die verrutscht und von Jane geschickt wieder zurechtgerückt wird. Sie ist ungefähr dreißig Jahre alt, keine Schönheit, aber sie hat ein freundliches, offenes Gesicht und ein gewinnendes Wesen. Dee ist vollkommen abhängig von ihr und hat einmal gescherzt, ich sollte erst dann überhaupt daran denken zu heiraten, wenn ich eine zweite Jane gefunden hätte. Ich schätze und respektiere sie sehr; es gibt nicht viele Frauen, die zulassen würden, dass das Haus nach kochendem Pferdemist stinkt und der größte Teil des Einkommens ihres Mannes für Manuskripte und astronomische Geräte ausgegeben wird. Ihr Haar ist unordentlich aufgesteckt, ein paar Strähnen haben sich gelöst, vermutlich weil das Baby darin herumgewühlt hatte, und sie sieht blass und älter als ihre Jahre aus. Sie hebt das Gesicht zu mir und ringt sich ein Lächeln ab.
»Bringt Ihr mir eine Nachricht von meinem Mann?«
»Leider nein.« Ich hebe entschuldigungsheischend die Hände. »Ich bin gekommen, weil ich gehofft habe, Ihr hättet inzwischen etwas erfahren.«
Sie wirft der Magd, die noch immer in einer merkwürdig verstohlenen Haltung an der Tür steht, einen Blick zu, dann nickt sie und setzt das Baby auf ihre andere Hüfte. Ich folge ihr und Arthur einen Gang entlang und hernach in einen kühlen Salon, in dem gerade ein Feuer im Kamin zu ersterben droht. Jane schürt es, woraufhin ein Funkenregen aufstiebt und die Flammen kurzzeitig von neuem an den Scheiten zu lecken beginnen. Jane sieht mich verlegen an.
»Legt Euren nassen Umhang ab, Doktor Bruno, und stellt Euch an unser sogenanntes Feuer, ja? Sie haben ihn gestern spät in der Nacht abgeholt.« Sie streicht sich das Haar aus dem Gesicht und schaukelt das Baby leicht, um es zu beruhigen. Arthur setzt sich neben den Füßen seiner Mutter auf den Boden und wendet den Blick immer noch nicht von mir ab. »Fünf Männer in königlicher Livree; sie sagten, es wäre dringend. Sie schafften ihn in ein Boot – ließen ihm kaum Zeit, seinen Umhang zu holen.« Sie presst die Lippen zu einem schmalen weißen Strich zusammen.
»Haben sie Gewalt angewandt?« Mit einem Blick zu dem Jungen senke ich die Stimme. Jane schüttelt den Kopf.
»Sie gingen nicht gerade sanft mit ihm um, aber sie haben ihm weiter nichts getan. Sie waren alle bewaffnet, könnt Ihr Euch das vorstellen? Warum hat die Königin meinen Mann von bewaffneten Palastwächtern holen lassen – ihn, der in seinem ganzen Leben noch niemandem auch nur ein Haar gekrümmt hat?«
Ich zögere.
»Am Hof hat es einen weiteren Mord gegeben. Früher am Abend. Habt Ihr nichts davon gehört?«
Ihre Augen weiten sich vor Schreck.
»Ich bin gar nicht aus dem Haus gegangen, ich hatte mit dem Kommen und Gehen hier genug zu tun.« Ihr Gesicht verdüstert sich. »Ein Mord? Aber sicher … was hat das denn mit uns zu tun?«
»Als Doktor Dee die Königin am Abend vor dem Mord aufsuchte«, beginne ich gleichfalls mit gedämpfter Stimme, »erzählte er ihr von einer Vision, in der eine rothaarige Frau gewaltsam zu Tode kam. Was er sagte, stimmt fast genau mit dem überein, was am nächsten Abend einer der Hofdamen zustieß, die rotes Haar hatte. Natürlich hat diese angebliche Vorhersage Eures Mannes das Interesse des Kronrats geweckt. Diese Morde werden als gegen die Person der Königin gerichtete Drohungen gewertet.« Wieder halte ich inne; überlege, wie viel ich preisgeben soll. Das Baby beginnt zu greinen; ohne hinzuschauen schiebt Jane ihm den Knöchel ihres kleinen Fingers in den Mund, woraufhin es zufrieden daran zu nagen beginnt.
»Also glauben sie, er hätte dieses grausige Ereignis durch Teufelswerk prophezeien können?« Ich empfinde Janes höhnischen Tonfall als seltsam beunruhigend.
»Ich denke, sie interessieren sich eher dafür, ob er nicht vielleicht auf eine ganz andere Weise zu seinem Wissen gekommen ist.«
Sie runzelt die Stirn.
»Nur war es
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