Frevel: Roman (German Edition)
des Gejohles und des Beifalls der Menge etwas von der Predigt mitzubekommen. Ich denke einen Moment lang über Douglas nach und frage mich, ob Fowler nicht doch Recht haben könnte. Er mag ja ein vom Trinken gezeichnetes Gesicht und ergrauendes Haar haben, aber sein ausgeprägtes Kinn und das Glitzern in seinen Augen, das verrät, dass er mit sich und der Welt zufrieden ist, könnten ein unerfahrenes Mädchen für ihn einnehmen. Und sogar Henry Howard mit seinem Spitzbart und den diabolischen Augenbrauen haftet eine gewisse gebieterische Ausstrahlung an, die attraktiv wirken könnte. Es liegt auf der Hand, dass uns eine so subjektive Beschreibung nicht weiterhilft.
»Wer kann schon sagen, wen Frauen anziehend finden und wen nicht?«, flüstert Fowler, als habe er meine Gedanken gelesen. »Es könnte sogar einige geben, die das von Euch behaupten, Bruno«, fügt er mit einem süffisanten Grinsen hinzu.
» Grazie . Ihr seid auch nicht gerade abstoßend«, erwidere ich gleichfalls grinsend, obwohl meine Gedanken unwillkürlich zu Marie und ihrem Versuch, mich zu verführen, wandern. Was auch immer sie dazu bewogen haben mag, mein Gesicht war es sicher nicht.
»Hört Euch uns an – da diskutieren wir wie zwei alte Priester in einem Knabenbordell über männliche Attraktivität.« Fowler lacht grimmig auf. »Wenn wir diesen Mann finden wollen, brauchen wir bessere Anhaltspunkte. Aber wo sollen wir anfangen?«
»Ich weiß schon, wo ich mit meiner Suche beginne«, zische ich durch die Zähne.
Der Prediger am St. Paul’s Cross scheint zum Ende gekommen zu sein, eine Beifallsalve brandet auf, dann beginnt sich die Menge ringsum zu zerstreuen. Vom Fluss her ziehen Wolken auf, der Wind wird stärker, und die Luft riecht wieder nach Regen. Fowler zieht sich seine Kappe tiefer ins Gesicht, wir wenden uns ab und steuern auf die Südseite der Kathedrale mit ihrem Gewimmel von Händlern, Hausierern und Beutelschneidern zu. Ich empfinde jene eigenartige Erleichterung, die vom Reden herrührt, auch wenn keine Lösung für das Problem gefunden wurde; froh darüber, mich Fowler anvertraut zu haben, verwünsche ich mich erneut für mein störrisches Beharren darauf, Cecilys Mörder ohne fremde Hilfe ausfindig machen zu wollen. Wenn ich weniger auf meinen eigenen Erfolg erpicht gewesen wäre, hätte Abigail vielleicht nicht den Preis dafür bezahlen müssen. Das Bewusstsein meiner Schuld lastet wie ein Stein auf mir, als ich an ihren Leichnam auf dem kalten Boden dieser Vorratskammer denke, und mein Entschluss, den Schuldigen vor Gericht zu bringen, verstärkt sich.
»Hört zu, Bruno.« Fowler legt mir leicht eine Hand auf den Arm. »Ihr wollt einen der Howards als Täter sehen. Ich mache Euch keinen Vorwurf daraus – es fällt schwer, sie zu mögen. Aber wir müssen Augen und Ohren offen halten. Irgendetwas an der ganzen Sache kommt mir merkwürdig vor. Wenn das Vergiften der Königin von Anfang an ein Teil von Guises Invasionsplan war, warum hat niemand das bei einem von Castelnaus geheimnisvollen Treffen erwähnt? Und wenn Cecily Ashe ermordet wurde, weil sie fürchteten, enttarnt zu werden, warum tun dann alle so, als wäre das etwas Neues für sie?«
Diese Fragen rühren an meine eigenen Bedenken. Ich blicke zum Himmel empor. Das Licht wird schwächer, ich muss mich beeilen, wenn ich einen Bootsmann finden will, der mich noch heute Abend bis nach Mortlake bringt.
»Einer oder mehrere von ihnen verstellen sich«, versetze ich. »Aber die Gruppe, die sich in Salisbury Court trifft, ist von Castelnau zusammengebracht worden. Daraus lässt sich nicht zwingend schließen, dass alle Mitglieder sich mögen oder einander trauen. Vielleicht verfolgen die, die Elisabeths Tod planen, eigene Ziele und benutzen die französische Invasion nur als Mittel zum Zweck.« Wieder erwäge ich die Möglichkeit, dass Henry Howard Maria mit Blick auf den Thron den Hof macht, aber das verschweige ich Fowler. Vielleicht ist es kindisch, aber ich will derjenige sein, der Walsingham diese Theorie unterbreitet.
»Das wäre möglich.« Er blinzelt nachdenklich, um gleich ebenfalls zum Himmel emporzusehen. »Ich habe den Eindruck, dass Henry Howard diese Mission am liebsten selbst leiten würde, aber die Behörden sind an ihm und seiner Familie zu sehr interessiert, er kann nicht die alleinige Kontrolle übernehmen, ohne entdeckt zu werden. Er braucht den Deckmantel der französischen Botschaft, um mit Marias Anhängern in Paris zu korrespondieren, aber
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