Frevel: Roman (German Edition)
Religionskriege der letzten Jahre haben das Feuer nur noch mehr angefacht«, fügt Burghley mit zusammengebissenen Zähnen hinzu.
»›Wenn ihr aber hören werdet von Kriegen und Kriegsgeschrei, so fürchtet euch nicht. Es muss so geschehen, aber das Ende ist noch nicht da‹«, zitiere ich aus dem Markusevangelium.
»Die gegenwärtigen Kriege begannen an Universitäten und in den Schlafgemächern von Königen, und der Grund waren nicht die Bewegungen am Firmament«, wirft Walsingham scharf ein. »Nichtsdestotrotz besteht das Resultat darin, dass die Bevölkerung vor Angst den Kopf verliert, und wenn ungebildete Menschen es mit der Angst zu tun bekommen, verfallen sie wieder in den alten Aberglauben. Ich weiß nicht, wieso, aber die Engländer haben eine besondere Vorliebe für Prophezeiungen und Vorhersagen.«
»Wir haben dieses Jahr allein in London fünf Leute festgenommen, weil sie Flugblätter verteilt haben, die den Tod der Königin ankündigen«, fügt Burghley versiert hinzu.
»Die Menschen nehmen diesen Unsinn von der Großen Konjunktion ernst – und zwar nicht nur die unteren Schichten.« Walsinghams Blick wandert zur Brust des toten Mädchens. »Wenn sie glauben, die Wiederkunft Christi steht bevor, wird es den verkappten Priestern noch einfacher gemacht, aus ihren Löchern zu kriechen und die Leute dazu zu bringen, sich wieder Rom zuzuwenden.«
»Sie hatte einen Rosenkranz in der Hand«, sagt Burghley fast flüsternd. »Einen Rosenkranz und in der anderen Hand eine Wachsfigur der getöteten Königin. Die Botschaft ist eindeutig, nicht wahr? Der Triumph Roms und der Tod Ihrer Majestät.«
»Irgendjemand will unsere Gedanken in diese Richtung lenken.« Walsingham schiebt das Kinn vor, und an seiner Wange beginnt ein Muskel zu zucken. »Und dann noch das Zeichen des Jupiters. Dank John Dee ist Ihre Majestät bezüglich der Bewegungen der Planeten schon ängstlich genug. Jetzt wird sie darauf beharren, dass ihre Furcht begründet ist.« Er seufzt. »Ich sollte unverzüglich zu ihr gehen. Bruno – Ihr könnt damit beginnen, mit allen zu sprechen, die Lady Cecily nahestanden und vielleicht Licht in das Dunkel bringen können. Sagt, dass Ihr im Auftrag von Lord Burghley handelt. William, du machst Doktor Bruno wohl mit den richtigen Leuten bekannt? Und lass die Sergeanten jede private Kammer in dem Gebäude sowie die Küchen, die Kapelle und alle öffentlich zugänglichen Räumlichkeiten durchsuchen. Wenn der Mörder noch in der Nähe ist, muss er ein blutiges Hemd und ein Messer haben, das er vielleicht irgendwo zu verstecken versucht hat.«
Burghley nickt, fährt sich erneut mit der Hand über den Kopf und wirkt plötzlich erschöpft. Er muss gut zehn Jahre älter sein als Walsingham, vielleicht schon Mitte sechzig, obwohl er derjenige ist, der von beiden den gesünderen Eindruck macht. Er wirft mir einen Blick zu und zieht die Brauen zusammen.
»Ich fürchte, die Hofdamen sind etwas hysterisch, Doktor Bruno«, bemerkt er trocken. »Was natürlich verständlich ist, aber ich hatte Mühe, etwas Vernünftiges aus ihnen herauszubekommen. Nun – vielleicht hat ja ein jüngerer Mann mit schönen dunklen Augen und einem ansprechenden Lächeln mehr Glück.« Er lächelt grimmig und klopft mir auf die Schulter, als er mir die Kammertür aufhält.
»Das ist das Äußerste, was Ihr von Burghley je an Komplimenten zu hören bekommen werdet, Bruno.« Walsingham folgt mir.
»Ich dachte, er spricht von Euch, Euer Gnaden.«
Burghley blickt amüsiert über seine Schulter.
»Zumindest versteht er sich auf Schmeichelei«, stellt er fest. »Hoffentlich nutzt es bei diesen Gänsen etwas.«
Lady Margaret Seaton, Königin Elisabeths Kammerfrau, kommt mir alles andere als hysterisch vor, als ich in das Privatgemach geführt werde, in dem sie wartet. Wenn überhaupt, wirkt sie beeindruckend gefasst, um nicht zu sagen, zurückhaltend. Lord Burghley stellt mich als vertrauenswürdigen Assistenten vor, ehe er sich taktvoll zurückzieht und die Tür hinter sich schließt. Lady Seaton trägt Schwarz, als wäre sie bereits in Trauer, lehnt sich in ihrem Stuhl zurück und mustert mich mit scharfen Augen. Sie ist schon älter, ein gutes Stück über vierzig, steht der Königin also altersmäßig näher als die Hofdamen, und obwohl ihre zarte Haut erste Spuren der Jahre aufweist, ist mir klar, dass sie in ihrer Jugend als Schönheit gegolten haben muss. Zu beiden Seiten ihres Stuhls kauern zwei jüngere Frauen auf Kissen und
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