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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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die seinen hinausgehen. Ihr und ich, wir verstehen das«, fügt er voller Inbrunst hinzu. »Wegen meines Bruders Thomas haben wir das größte Herzogtum Englands verloren. Mein Familienname ist mit der Schande des Verrats befleckt. Man hat mir Gefängnis und Verbannung angedroht, und ich bin gezwungen, als Gast bei meinem Neffen zu leben und Loyalität gegenüber der Thronräuberin Elisabeth zu heucheln.« Er verzieht die Lippen. »Mein rechtmäßiges Erbe wird mir so beharrlich verwehrt, als wäre ich aus England verbannt worden. Aber ich warte nur meine Zeit ab.«
    »Und Ihr seid entschlossen, das zu beenden, was Euer Bruder begonnen hat?« Ich hebe das Kinn.
    Er mustert mich einen Moment lang stirnrunzelnd, als versuche er zu ergründen, wie viel ich weiß.
    »Warum sagt Ihr das? Wegen meiner Bemerkung über Marias Erben?«
    »Wenn sie damals bereit war, Euren Bruder zu heiraten, warum dann nicht auch Euch?«
    Er hebt sein Schwert und richtet es auf mich. Ich spüre, wie sich meine Eingeweide zusammenziehen; einen Moment lang fürchte ich, dass er sich gleich auf mich stürzt. Aber endlich nickt er.
    »Sehr klug gefolgert von Euch, Bruno. Die Howards stammen von Edward Plantagenet ab, dem ersten englischen König dieses Namens. Wusstet Ihr das?« Ohne eine Antwort abzuwarten fährt er fort: »In unseren Adern fließt königliches Blut. Es sollte ein Howard-Erbe auf dem Thron sitzen.«
    »Ihr beabsichtigt, Maria zur Frau zu nehmen, wenn sie nach dieser Invasion frei und gekrönt ist, und mit ihr einen Erben zu zeugen?«
    Er verzieht das Gesicht.
    »Das ist meine Pflicht gegenüber meiner Familie und meiner Herkunft. Aber ich erwarte nicht, dass ein Mann von gewöhnlicher Geburt das versteht.«
    Instinktiv balle ich die Fäuste, wie ich es immer tue, wenn der Adel eine solche angeborene Arroganz an den Tag legt, aber meine Stimme bleibt ruhig.
    »Aber Douglas hat Recht. Maria hat bereits einen Erben, an dessen königlicher Abstammung kein Zweifel besteht und der König von Schottland ist.«
    »Junge Männer sind nicht unsterblich, Bruno«, versetzt Howard mit einem leisen Lachen. »Und James hat noch keine Nachkommen.«
    Ich sehe ihn an und begreife, dass ich noch nicht einmal begonnen habe, das Ausmaß seiner Hoffnungen zu verstehen. Howards Pläne gehen weit über diese Invasion, weit über die Wiedereinführung des katholischen Glaubens hinaus, die die anderen anstreben; er arbeitet auf eine Zukunft hin, in der er König eines katholischen Englands, sein eigener Sohn der Thronerbe und der junge König James wie sein Vater Opfer eines unglücklichen Unfalls geworden sein würde. Jetzt leuchtet mir auch ein, warum Howard Archibald Douglas in seinem Umfeld duldet – wenn Douglas den Vater umbringen konnte, warum ihn dann nicht anheuern, um auch den Sohn aus dem Weg zu räumen? Für den richtigen Preis würde Douglas zweifellos einwilligen. Aber die nagende Furcht in meinem Inneren rührt von dem Bewusstsein her, dass Henry Howard mir eine so unglaubliche – um nicht zu sagen: irrwitzige – Geschichte nur aus einem einzigen Grund anvertraut: Weil er sicher ist, dass ich nicht mehr dazu kommen werde, sie publik zu machen. Meine rechte Hand will instinktiv nach meinem Messer greifen, obwohl es nicht an seinem Platz ist, und ich zwinge mich, keine unbedachte Bewegung zu machen. Wenn Howard glaubt, ich wäre bewaffnet, könnte er auf die Idee kommen, mich zu durchsuchen, und dann würde er die Ahnentafel finden. Ich blicke auf die Glasflasche in meiner Hand, die ich fast vergessen habe. Die heilige Agnes, hat er behauptet. Dieses Haar gehörte keiner Frau, die schon lange tot ist. Aber ich kann nicht verstehen, wie die Morde am Hof in Howards langfristige Pläne passen.
    »Aber genug davon«, sagt er unerwartet aufgeräumt. »Ich wollte Euch etwas zeigen, was Euch das Blut in den Adern gefrieren lässt, nicht wahr, Bruno? Tretet näher.«
    Zu meiner Erleichterung legt er das Schwert auf den Altar, hält die Hand aber in Reichweite, als er das Tuch anhebt, das ihn bedeckt. Der Stein darunter weist ein Flachrelief von Figuren auf, deren Gesichter im Lauf der Zeit so verwittert sind, dass nur noch ein verschwommener Umriss geblieben ist. Es scheint jahrhundertealt zu sein.
    »Stammt aus einer der Abteien von Sussex, die während der großen Zerstörung abgerissen wurden«, bemerkt Howard, als hätte er meine Gedanken gelesen. »Mein Bruder hat ihn heimlich gekauft und in seiner eigenen Kapelle aufgestellt. Nach seinem

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