Frevel: Roman (German Edition)
existieren, und ich habe ihn nicht.« Seine Augen sprühen Feuer. »Vierzehn Jahre! Vierzehn Jahre lang habe ich versucht, den Code zu entschlüsseln. Ich habe jedes System angewandt, von dem ich je gelesen habe, aber ohne Erfolg.«
Das Buch noch immer in der Hand haltend beobachte ich ihn mit offenem Mund. Vierzehn mit dem Versuch verbrachte Jahre, das Buch zu entschlüsseln, von dem man glaubt, es enthielte das Geheimnis der Unsterblichkeit! Fast empfinde ich Mitleid mit ihm – kein Wunder, dass all seinen Plänen ein Hauch von Irrsinn anzuhaften scheint. Ich staune, dass er noch nicht vollständig den Verstand verloren hat.
»Aber Ficino muss ihn besessen haben«, grübele ich laut. »Den Großen Schlüssel. Soweit ich weiß, hat er das ganze Buch gelesen, warum hätte er sich sonst so davor gefürchtet, es zu übersetzen?«
»Irgendwo existiert er oder kann abgeleitet werden«, stimmt Howard zu, und ich höre die Erschöpfung langer Jahre aus seiner Stimme heraus. »Aber wo ist er zu finden, Bruno? Wo soll man mit der Suche beginnen?«
»In Dees Bibliothek finden sich viele Abhandlungen über Geheimschriften«, erwidere ich, ohne seinem Blick auszuweichen. »Aber das wisst Ihr ja.«
Er hebt nur eine Braue.
»Ich soll Dee um Hilfe bitten? Und gestehen, dass ich das Buch habe, wegen dem er beinahe getötet wurde? Ich habe natürlich im Lauf der Jahre herauszufinden versucht, ob sich unter Dees Manuskripten eines befindet, bei dem es sich um den Schlüssel handeln könnte, von dem Hermes spricht, ohne dass er es merken sollte. Ich habe Diener und Verbündete in der Maske reisender Gelehrter zu seinem Haus geschickt. Und ja, ich habe die Gelegenheit genutzt, es selbst zu durchsuchen, wenn er nicht da war. Aber in dieser ganzen Zeit habe ich kaum die Oberfläche von Dees Bibliothek berührt.« Seine Züge verhärten sich, und er sieht mich an, als wäre ihm gerade wieder eingefallen, wer ich bin. »Aber Dee steht kurz vor dem Ruin. Elisabeth wird die Augen nicht länger vor seinen Praktiken verschließen können. Und wenn das geschieht – selbst wenn ihm das Leben geschenkt wird, wird sein Hab und Gut beschlagnahmt werden. Und ich werde seine Bibliothek irgendwie in meinen Besitz bringen.« Die kalte Entschlossenheit in seiner Stimme straft das wilde Flackern in seinen Augen Lügen – sollte sein Geist getrübt sein, hat dieser Umstand seine Skrupellosigkeit nicht beeinträchtigt. Doch seine Bemerkung bezüglich Dees bevorstehendem Ruin kommt einem Geständnis gleich.
»Ist Ned Kelley einer der Handlanger, die für Euch arbeiten?«
Er reibt sich das Gesicht, als versuche er sich zu erinnern, wo er den Namen schon einmal gehört hat.
»Kelley. Ein Gauner, sicher, aber einer mit einer bemerkenswerten Fantasie und der Fähigkeit, die Herzen Fremder zu gewinnen, obwohl ich bekennen muss, dass sie bei mir versagt hat.«
»Bei mir auch.«
»Die Dienstmagd Johanna hat ihn zu mir gebracht – sie entdeckte ihn auf irgendeinem Jahrmarkt, wo er die Leute mit Kartentricks betrog. Sie dachte, er könnte mir nützlich sein. Aber niemand hätte vorhersehen können, wie schnell Kelley Dee für sich einnehmen und welchen Einfluss er auf ihn erlangen würde.« Er feixt. In mir wallt Zorn auf, und ich umklammere das Buch fester.
»Ihr habt Kelley bezahlt, um Dee dazu zu bringen, Geister zu beschwören, damit er öffentlich angeklagt und bestraft werden kann«, zische ich mit zusammengebissenen Zähnen. Howard gestattet sich ein nachsichtiges Kichern.
»Ich wusste, dass Dee der Versuchung nicht widerstehen können würde, es der Königin zu erzählen, wenn er davon überzeugt wäre, wirklich mit himmlischen Geschöpfen kommunizieren zu können. Sie ist immer noch von der Vorstellung fasziniert, Wissen zu erwerben, das über die Grenzen der menschlichen Weisheit hinausgeht, aber das geht den Mitgliedern des Rates, die zur Vernunft mahnen, natürlich zu weit …« Er klopft sich lächelnd auf die Brust. »Dee wird schneller gefällt werden als ein morscher Baum. Und ich muss nicht länger fürchten, dass er die Geheimnisse meiner Vergangenheit enthüllt.« Er verschränkt die Arme vor der Brust und legt den Kopf in den Nacken, um mich über seine Nase hinweg zu mustern. »Was mich zu Euch bringt, Bruno.«
»Was ist mit den Mädchen?«, entfährt es mir. Mein Gesicht verzerrt sich vor Zorn. »Sind sie deswegen gestorben? Um Kelleys gewalttätigen Weissagungen Glaubwürdigkeit zu verleihen? Um Dee in die Morde zu
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