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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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hätte … ich nippe an dem Wein, weil mir plötzlich entsetzlich übel ist, stelle aber fest, dass ich nicht zu schlucken vermag. Ich bin fast sicher, dass Léon Dumas wie Abigail Morley meinetwegen sterben musste und ich es hätte verhindern können.
    »Was ist passiert?«, frage ich endlich, nachdem wir beide eine Zeit lang in den Kamin gestarrt haben.
    »Nachdem ihr gestern alle gegangen wart, sind die Ratsherren gekommen«, erwidert er tonlos. »Ein paar Bootsmänner haben seinen Leichnam unten am St. Paul’s Wharf im Fluss gefunden und es sofort gemeldet.«
    »Paul’s Wharf?« Ich sehe ihn an. »Also bei Throckmortons Haus?«
    »In der Nähe. Sie glauben, er wäre von irgendeinem Beutelschneider erdrosselt worden. Es ist eine gefährliche Gegend – dort gehen all die ausländischen Kaufleute an Land. Er hatte nichts bei sich, nur die Kleider, die er am Leib trug, als sie ihn herauszogen. Er muss einige Stunden im Wasser gelegen haben.«
    »Woher wussten sie denn, dass sie hierherkommen mussten?«
    »Sie haben die Dockarbeiter und Bootsmänner am Kai befragt. Jemand hat ihn erkannt, er wusste, dass er Franzose war. Sagte, er wäre in dieser Ecke der Stadt bekannt.«
    Das muss er wohl gewesen sein, so oft, wie er Throckmorton aufgesucht hatte, denke ich. Wo befand sich der junge Kurier jetzt? Auf dem Weg nach Sheffield zu Maria Stuart? Wenn Dumas in der Nähe des Paul’s Wharf getötet worden war, war sein Mörder ihm dann dorthin gefolgt, oder hatte er ihm in dem Wissen, dass er ein regelmäßiger Besucher Throckmortons war, dort aufgelauert? Aber der Einzige, der mit einem Besuch von Dumas gerechnet haben konnte, war Throckmorton selbst. Ich blicke zum Fenster und erinnere mich an den Tag, an dem ich Throckmorton unangemeldet in diesem Raum angetroffen habe, und an die Art, wie er den Blick nicht vom Schreibtisch des Botschafters wenden konnte. Dumas wurde wegen des Rings getötet. Alles dreht sich um diesen Ring: Dumas hat ihn aus Marias Brief gestohlen, bevor er Howard erreichte, jemand hat ihn dafür bezahlt, und der Ring landete schließlich bei Cecily Ashe. Ich reibe mir die Augen. Mein erschöpfter Verstand sucht nach Verbindungen, aber wieder komme ich auf Cecilys mysteriösen Geliebten zurück; den Mann, der ihr den Ring als Unterpfand ihres Paktes gegeben hat – derselbe Mann, von dem sie auch die Phiole mit Gift für Elisabeth Tudor hatte. Dumas musste sterben, weil er die Identität dieses Mannes kannte, das ist die einzige Erklärung. Doch warum gerade jetzt – es sei denn, dieser Mann hatte neue Gründe zu befürchten, von Dumas verraten zu werden. Bei diesem Gedanken krampft sich mein Körper so heftig zusammen, dass etwas von dem Wein im Glas auf den Boden schwappt, und das Wort, das mir augenblicklich durch den Kopf schießt, kommt über meine Lippen, bevor ich es verhindern kann.
    »Marie.«
    »Bitte?« Castelnau dreht sich um und sieht mich aus rot geränderten Augen an.
    »Ich – nichts.« Ich hatte nicht beabsichtigt, ihren Namen laut auszusprechen. »Ist Marie gestern Abend gut nach Hause gekommen?«
    »Ja, natürlich. Sie und Courcelles. Er konnte es gar nicht erwarten, mir zu erzählen, wie Ihr Schande über Euch und die Botschaft gebracht habt. Mir war selbstverständlich klar, dass Ihr euch nur verstellt hattet.« Er neigt viel sagend den Kopf.
    »Mylord?« Zum Glück zittere ich so heftig, dass ich keine Furcht vortäuschen muss.
    »Ich habe Courcelles gegenüber natürlich kein Wort darüber verloren, gleichwohl sofort vermutet, dass Ihr meine Befürchtungen, Henry Howard könnte mit den Spaniern gemeinsame Sache machen, ernst genommen und die Möglichkeit genutzt habt, so viel wie möglich über ihn herauszufinden, während Ihr unter seinem Dach geweilt habt – Ihr wolltet die Leute dazu bringen, unvorsichtig zu werden, indem Ihr den Betrunkenen gemimt habt. Courcelles mangelt es an der nötigen Raffinesse, um eine solche Strategie zu begreifen.« Er lacht matt. »Außerdem war er gestern Abend mit anderen Dingen beschäftigt. Kommt mit, Bruno. Ich möchte, dass Ihr Léon seht.«
    »Sie haben seinen Leichnam hierhergebracht?«
    »Er hat Familie in Frankreich, der arme Junge. Sie werden ihn dort bestatten wollen, allerdings weiß ich nicht, ob das noch rechtzeitig in die Wege geleitet werden kann.« Er fährt sich mit einer Hand über die Brauen. »Ich muss den Angehörigen schreiben. Und das ausgerechnet jetzt.« Er vollführt eine vage Geste, aber ich verstehe ihn: Er meint

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