Frevel: Roman (German Edition)
als ein Mal spüre ich den Luftzug, wenn sein Schwert direkt hinter mir durch den Nebel pfeift. Ich klettere wieder nach unten, bis ich die Mauer erreiche, um mich in die Arena zu rollen. Als ich erkenne, dass ich mich in eine Falle manövriert habe, verwünsche ich meine eigene Dummheit – jetzt bin ich gezwungen, gegen beide Gegner zugleich zu kämpfen, wie die Bären, die sonst in diesen Ring geführt werden, um sich gegen eine Meute wilder Hunde zur Wehr zu setzen. Ich stelle einen Fuß auf die Trennmauer, um hinüberzuspringen, doch eine Hand packt meinen Umhang und reißt mich zurück; ich verliere den Halt, falle in die Arena und lande hart auf der Seite. Der Untergrund besteht aus Sand, und obwohl ich kaum Luft bekomme, rolle ich mich zur Seite, als Fowler ebenfalls über die Mauer hinwegsetzt und kaum zwei Fuß entfernt neben meinem Kopf landet. Er hebt das Schwert, ich kreuze die Arme vor dem Gesicht, und genau in diesem Moment, in dem ich darauf warte, dass die Klinge niedersaust, wird in meinem Kopf plötzlich alles glasklar – genau in diesem Moment weiß ich mit absoluter Gewissheit, dass es sich bei den Mythen der Priester und Prediger um Ammenmärchen handelt, dass der Tod, wenn er eintritt, nicht als Strafgericht, sondern als Befreiung erfolgt: Genau jetzt ist der Moment, in dem ich mich auf einer Schwelle zwischen den Welten stehen sehe, am Rand des bekannten Universums, bereit, durch die Umlaufbahnen der Planeten zu dem dahinter liegenden unendlichen Weltall mit seinen Millionen von Sonnen aufzusteigen, das Hermes Trismegistos den Göttlichen Geist genannt hat. Ich sehe mein Leben kurz aufflammen, und mein Körper entspannt sich, um den Todesstoß zu empfangen – da werde ich durch einen scharfen Pfiff und eine blitzschnelle Bewegung aus meinem tranceähnlichen Zustand gerissen. Fowler stößt ein markerschütterndes Heulen aus. Sein Schwert gleitet ihm aus den Händen und streift mein Bein, als er, seinen Arm umklammernd, zur Seite kippt.
Mein Instinkt erwacht wieder, ich werfe mich auf ihn und drücke ihn zu Boden. Ein Armbrustbolzen ragt aus seiner Schulter. Er brüllt nach Douglas, aber zur Antwort ertönen nur hastige Schritte, die sich in Richtung des Eingangs entfernen. Die andere Laterne liegt dort auf dem Boden, wo sie fallen gelassen wurde. Fowler windet sich unter mir, stöhnt leise und krallt eine Hand in meine Schulter, doch ich halte ihm mein Messer an die Kehle, woraufhin er seinen Widerstand aufgibt. In den Bänken über mir vernehme ich weitere Schritte, gefolgt von dem dumpfen Aufprall, mit dem jemand in der Arena landet. Ich blicke auf und zucke zusammen, als sich ein hochgewachsener Mann in einem ledernen Wams neben mir niederkauert und Fowler untersucht.
»Ich habe auf die Laterne gezielt. Ich hatte Angst, ich könnte Euch treffen, Sir.«
»Wer seid Ihr?« Ich wage kaum, den Atem auszustoßen. Mein Messer berührt noch immer Fowlers Kehle. Der Nebel lässt die Züge des Fremden weicher erscheinen und ihn noch jünger wirken, als er es sowieso ist – vielleicht Anfang zwanzig, das verrät mir sein noch spärlicher Bartwuchs.
»Tanner, Sir, Joseph Tanner, zu Euren Diensten.« Er nimmt seine Kappe ab und dreht sie zwischen den Fingern. »Ich hatte den Auftrag, ein Auge auf Euch zu haben, Sir. Er sagte, es gäbe Leute, die es auf Euch abgesehen hätten, und er hatte Recht.« Er nickt zu Fowler hinüber, dann hebt er dessen Schwert aus dem Sand auf und wiegt es mit einem wertschätzenden Kennerblick in der Hand.
»Demnach steht Ihr in Walsinghams Diensten?« Erschöpfung durchflutet mich, und mit einem Mal beginne ich zu frösteln.
»In denen von Sir Philip Sidney, Sir.« Er dreht noch immer an seiner Kappe herum. Fowler gibt einen erstickten Schmerzenslaut von sich, woraufhin ich ihm das Knie in die Rippen bohre.
»Sidney hat Euch geschickt? Wie lange folgt Ihr mir denn schon?«
»Seit der Nacht, in der Ihr nach Barn Elms kamt, Sir, nachdem Ihr auf der Straße angegriffen wurdet. Sir Philip sagte, ich solle herauszufinden versuchen, wer sich an Eure Fersen geheftet hat, und dafür sorgen, dass Ihr nie ohne Schutz seid. Jedoch sollte ich nur eingreifen, wenn Euer Leben in akuter Gefahr ist.«
»Warum habt Ihr Euch mir nicht gezeigt?«
Der junge Mann senkt verlegen den Blick.
»Sir Philip meinte, das würde Euch nicht gefallen, Sir. Er meinte, Ihr wärt sehr stolz.«
»So, meinte er das?« Ich lächele. Einerseits missfällt es mir, dass Sidney hinter meinem Rücken
Weitere Kostenlose Bücher