Frevel: Roman (German Edition)
berüchtigten Verhörmethoden zu schützen gedenkt, indem er sie mit sich mit auf den Grund des Flusses nimmt. Womöglich hatte er sogar damit gerechnet, dass ich ihm ohne zu zögern hinterherspringen würde. Seine Hand greift nach meinem Gesicht – er beabsichtigt zu verhindern, dass einer von uns wieder an die Luft gelangt. Ich schlage nach ihm. Meine Hand trifft den hölzernen Schaft des Armbrustbolzens in seiner Schulter, ich schließe die Finger darum und drehe ihn mit aller Kraft zur Seite, woraufhin Fowler seinen Griff lockert, ich mich mit einem gewaltigen Beinstoß an die Wasseroberfläche katapultiere und meine brennenden Lungen mit Luft fülle. Dabei schlucke ich eine Menge fauliges Themsewasser, fange würgend an zu husten und fürchte schon, erneut unterzugehen, doch da prallt etwas gegen meine Schulter – mit der rechten Hand klammere ich mich verzweifelt daran fest, während ich mit der linken noch immer Fowler festhalte, der von seinem Gewicht nach unten gezogen wird.
»Lasst nicht los!«, ertönt eine laute Stimme. Ich zwinkere Wassertropfen aus meinen Augen und sehe das Boot vor mir, in dessen Bug jetzt zwei Wächter sitzen, von denen einer mir ein Ruder hinstreckt. Meine Hand rutscht ab, trotzdem gelingt es ihm, mich so nah an das Boot heranzuziehen, dass er den Rückenteil meines Wamses zu fassen bekommt und mich mit der Hilfe seines Kameraden über den Rand zerren kann wie einen ins Netz gegangenen Fisch. Wasser aushustend krümme ich mich auf dem Boden.
»F… F…« Meine Stimme gehorcht mir nicht, meine Zähne klappern zu heftig, also deute ich stattdessen auf das Wasser, wo einer der Wächter erfolglos mit seinem Ruder in den Wellen herumstochert. Ich stehe auf und taumle ein Stück bugwärts. Sie dürfen jetzt nicht aufgeben, Fowler darf der Triumph nicht vergönnt werden, seinen eigenen Ausweg zu wählen. Auf der Jagd nach ihm habe ich zu viele wichtige Beweisstücke verloren – dieses letzte in Gestalt seiner Person wird er mir nicht nehmen. Halb von Sinnen vor Wut erwäge ich fast, mich noch einmal in die Themse zu stürzen, um die Verfolgung erneut aufzunehmen, doch der Wächter, der mich herausgezogen hat, ahnt meine Absicht und hält mich fest. Zur gleichen Zeit stößt sein Kamerad einen lauten Ruf aus, und der Lichtschein fällt auf einen schwarzen Schatten, der aus dem Wasser auftaucht. Fowlers Überlebensinstinkt scheint die Oberhand gewonnen zu haben. Die Männer manövrieren das Boot näher an ihn heran und beugen sich vor, um das nasse Bündel herauszufischen, wobei sie das kleine Gefährt fast zum Kentern bringen.
»Ist er tot?«, krächze ich.
»Keine Ahnung. Setzt Euch hinten hin«, erwidert einer der Wächter, der offenbar schon häufiger Menschen aus dem Fluss gezogen hat. Er dreht Fowler herum und drückt ein paarmal fest auf seinen Magen. Fowler rührt sich nicht. Der Mann versucht es abermals, diesmal fester, und richtet den Oberkörper des Schotten auf – da löst sich von seinen Lippen ein schwacher Würgelaut, gefolgt von einem wässrigen Strom von Erbrochenem. Als der zweite Mann uns gegen die Strömung wieder zum Landungssteg zurückrudert, registriere ich zufrieden, dass Fowlers Leben noch immer an einem seidenen Faden hängt.
Die Wächter hieven ihn unsanft auf die Bohlen und schleifen ihn zwischen sich fort. Walsingham wirft ihm einen flüchtigen Blick zu, als sie an ihm vorbeikommen.
»Lebt er?«
»Aye, Euer Gnaden.«
Er nickt, dann hält er mir eine mit einem Lederhandschuh bekleidete Hand hin. Zitternd klettere ich auf den Steg, wo meine Beine unter mir nachgeben. Walsingham kauert sich neben mich und legt mir eine Hand auf die Schulter.
»Wenn ich es nicht besser wüsste, Bruno, würde ich sagen, dass Ihr einen Pakt mit dem Teufel persönlich geschlossen habt. Ihr seid nicht unterzukriegen. Indes, ich glaube nicht, dass der Teufel die Nerven hätte, sich auf eine Wette mit Euch einzulassen. Er hätte Angst, Ihr würdet ihn überlisten.«
Ich setze zu einer Antwort an, aber mir ist so kalt, dass ich das heftige Beben nicht unterdrücken kann, das meinen Körper durchschüttelt. Walsingham lächelt väterlich und drückt meine Schulter.
»Oh, ich weiß, dass Ihr genauso wenig an den Teufel glaubt wie an Gott, Bruno«, raunt er mir zu. »Ihr habt Eure Sache gut gemacht – wieder einmal. Ich werde Euch der Obhut des Earls of Leicester übergeben, und wenn Ihr Euch aufgewärmt und ausgeruht habt, möchte ich die ganze Geschichte aus Eurem Mund
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