Frevel: Roman (German Edition)
hempe is spun, England’s done – wird der Hanf gesponnen, ist Englands Glück zerronnen«, krächzt sie mir ins Gesicht, sodass mir ihr stinkender Atem entgegenschlägt. »Gebt gut Acht, Sir. Die Zeichen gelten alle uns.« Sie zeigt mit einem zitternden, knorrigen Finger gen Himmel, dann gibt sie mich frei und verschwindet in der Menge.
Ich starre ihr hinterher und grübele über ihre Worte nach, da nähert sich mir eine weitere Gestalt, eingehüllt in einen dünnen Umhang. Schuldbewusst bereue ich schon meine Großzügigkeit – jetzt kommen sie bereits, und ich habe nicht genug Münzen für alle –, aber diese Frau gesellt sich zu mir, greift in ihre Kleider und haucht, hervor aus den Tiefen ihrer Kapuze, mit einer gebildeten Stimme meinen Namen.
»Abigail!«
»Still! Wir dürfen nicht gesehen werden. Kommt einen Moment mit in den Durchgang.«
Wir treten in den Schatten des Turmtorweges. Die Kühle, die der feuchte Stein verströmt, lässt mich frösteln. Der Gang ist nicht breit, und wir werden, von gelegentlichen Flüchen begleitet, angestoßen und gegen die Wand geschoben, als wir an der Seite stehen bleiben. Abigail schlägt selbst hier ihre Kapuze nicht zurück.
»Sie haben den falschen Mann festgenommen«, flüstert sie ohne Einleitung. »Ich weiß nicht, wem ich es sonst sagen könnte.«
»Woher wisst Ihr das?«
»Weil Sir Edward Bellamy einmal versucht hat, mir den Hof zu machen, und wir uns darüber lustig gemacht haben – Cecily und ich, meine ich. Es war grausam von uns, aber er ist ein so jämmerliches Zerrbild von einem Mann. Keine Frau würde ihn wollen, trotz all des Landes, das er besitzt, es sei denn, sie wisse nicht mehr ein und aus.« Sie reibt sich unsicher über den Hals. »Indes, Sir Edward ist ein Gentleman und verdient es nicht, dass man ihm diese Tat anhängt. Er war nicht ihr heimlicher Galan, das würde ich beschwören.«
»Aber ihr Geliebter muss nicht zwangsläufig ihr Mörder gewesen sein. Es kann sich auch um jemanden handeln, der gewusst hat, dass sie an diesem Abend verabredet war. Vielleicht war einer von Sir Edwards Freunden ihr Verehrer?«
Unter der Kapuze ist der untere Teil ihres Gesichts zu sehen; sie nagt zweifelnd an ihrer Unterlippe.
»Ich glaube einfach nicht, dass er jemanden töten oder sich an einer solchen Tat beteiligen könnte. Dazu ist er viel zu sanftmütig.«
»Auch solche Männer haben schon gemordet.«
Sie schüttelt entschieden den Kopf.
»Ich traue es ihm nicht zu. Er hat Cecily seine alten Kleider verkauft, damit sie sich als Junge verkleiden kann – das glaube ich. Allerdings denke ich, die Palastgarde war froh, schnell jemanden verhaften zu können, damit die Königin sie für ihre gute Arbeit lobt. Doch deshalb habe ich Euch nicht hergebeten. Da ist noch etwas.«
Sie bedeutet mir, näher zu treten, und zieht einen kleinen, oben mit einem Bändchen zusammengebundenen Samtbeutel aus ihrem Umhang.
»Lady Seaton hat Cecilys Sachen durchgesehen, bevor sie sie ihrem Vater übergab.« Sie spricht so leise, dass ihr Gesicht fast das meine berührt, wenn ich sie verstehen will. Ihr Atem streicht warm über meine Wange. »Doch ich argwöhne, sie hat nach etwas gesucht, das Aufschluss über Cecilys Affäre geben könnte. Sie hat nichts gefunden, sie wusste ja nichts von dem Kissen.«
»Was für einem Kissen?«
»Es gehörte zu Cecilys liebsten Besitztümern – ein kleines Kissen, das sie als Kind bestickt hat. Mit einem Bibelspruch und Blumen, wisst Ihr, solchen Sachen eben. Es lag immer auf ihrem Bett – ich dachte anfangs, es wäre eine Art Talisman, der ihr über ihr Heimweh hinweghilft, aber eines Tages zeigte sie mir, dass sie den Saum aufzutrennen und ihre heimlichen Schätze in dem Kissenbezug zu verstecken pflegte.«
Sie hält mir den Beutel hin. Ich wiege ihn in der Hand. Er ist leicht, und sein Inhalt klirrt leise, als ich ihn schüttele.
»Das sind die Geschenke von ihrem Freund; alles, was sie in das Kissen eingenäht hat. Ich weiß nicht, ob sie Euch irgendwie helfen – mir sagen sie überhaupt nichts, aber vielleicht findet Ihr ja etwas heraus. Alle Welt scheint entschlossen zu sein, Sir Edward für schuldig zu befinden, doch ich fände es schrecklich, wenn er für etwas bestraft wird, das er nicht getan hat.« Sie zupft wie ein Kind an meinem Ärmel. »Auf dem Ring ist ein Emblem. Es ist nicht das Wappen der Bellamys, ich kenne es nicht. Ihr könntet ihn Lord Burghley zeigen – er weiß vielleicht, wem es zuzuordnen
Weitere Kostenlose Bücher