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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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bin sicher, Ihr bekommt irgendwann die Gelegenheit dazu. Nun – wir werden uns bald wiedersehen, Bruno. Verständigt mich sofort, wenn ein spanischer Abgesandter die Botschaft betritt. Viel Glück!« Er nickt kurz, macht auf dem Absatz kehrt und wird von der bunten, geräuschvollen Menge verschluckt.
    Die Sonne versinkt allmählich hinter den Dächern der Stadt, der Abend bricht an und taucht London in ein sanftes bernsteinfarbenes Licht, das sich in den Fensterscheiben widerspiegelt, als ich den Heimweg durch die Stadt antrete. An Tagen wie diesen denke ich manchmal, ich könnte mich hier auch heimisch fühlen. Über mir knarrt eine Vielzahl bemalter Schilder sanft im Wind. Die bunten Bilder, die darauf prangen, weisen auf Apotheken, Kerzenzieher, Baderchirurgen, Tuch- und Weinhändler sowie nach allen möglichen Tieren benannte Schänken hin – blaue Eber, rote Füchse, weiße Hirsche, Hunde, Hasen, Hähne und sogar Einhörner. Auf jeder Seite der Straße drängt sich ein Menschenstrom: Straßenverkäufer preisen ihre Waren an, Männer tragen Stangen über den Schultern, an denen Käfige mit gackernden Hühnern baumeln, Frauen balancieren Körbe voller Orangen auf dem Kopf, und Hausierer bieten in ihren Bauchläden allerlei Krimskrams feil – Kämme, Schreibfedern, Knöpfe, Messer und anderes mehr. Auf dem weitläufigen Kirchplatz von St. Paul’s, der eher einem Markt gleicht, betteln barfüßige Kinder die besser gekleideten Männer und Frauen an, während ein zerlumpter Mann an einer Ecke auf einer alten Laute spielt und, in der Hoffnung, ein paar Münzen zugeworfen zu bekommen, ein wehmütiges Lied singt. Der Geruch gekochten Fleisches vermischt sich mit dem Gestank verfaulender Abfälle, und die Wohlhabenderen halten sich Parfümkugeln oder Blumensträußchen unter die Nase, um die ekelhaften Ausdünstungen nicht einatmen zu müssen.
    Als ich den Hof überquere, wobei ich an baufälligen Schreinen und Kapellen vorbeikomme, die teilweise in Stände für Buchverkäufer und Händler umgewandelt worden sind, vertritt mir ein Pamphletverkäufer den Weg und hält mir seine Ware vor das Gesicht. Ich schicke mich an, ihn wegzuscheuchen, doch das Bild auf der Vorderseite der Broschüren sticht mir ins Auge, und ich greife nach einem Exemplar, um es mir genauer anzusehen. Hier sind sie wieder, die Symbole des Jupiter und des Saturn, vereint unter der kühnen Überschrift: Das Ende der Welt? Der Bursche, der diese Dinger verkauft, streckt eine Hand aus und wedelt ungeduldig mit den Fingern, um einen Penny zu kassieren. Trotz der Sonne hat er seine Kapuze ganz über den Kopf gezogen; eine weise Vorsichtsmaßnahme, denn mir ist bereits aufgefallen, dass es weder der Drucker noch der Verfasser gewagt haben, ihre Namen auf das Machwerk zu setzen, was heißt, dass es illegal gedruckt wurde. Mein Interesse ist geweckt, ich suche nach einer Münze und entferne mich rasch. Während ich das Pamphlet lese, pralle ich immer wieder mit anderen Leuten zusammen. Der anonyme Autor schreibt in einem unheilschwangeren Ton; er hat versucht, das Geburtshoroskop der Königin zu stellen, und knüpft seine dramatischen Vorhersagen an das Feurige Trigon, die Furcht einflößende Anordnung der großen Planeten, deren Symbole die Vorderseite zieren. Königin Elisabeths Tage sind gezählt, schreibt er; Gott wird England mit Krieg und Hungersnot schlagen, und ihre ungehorsamen Untertanen werden nach einem Erlöser schreien. Nach dem Umblättern sehe ich den Holzschnitt eines Teufels, welcher einen Mann mit einer Mistgabel piesackt. Ich verstaue das Pamphlet in meinem Wams, um es Walsingham zu zeigen, obwohl ich ziemlich sicher bin, dass er es, wenn er es nicht schon gesehen hat, ohnehin bald zu Gesicht bekommen wird.
    Kaum habe ich die Tür von Salisbury Court hinter mir geschlossen, als Courcelles sich aus dem Schatten neben der Treppe löst, als ob er auf mich gewartet habe.
    »Hier ist ein Junge, der sagt, er hätte einen Brief für Euch«, verkündet er, dabei legt er eine weiße Hand auf den geschnitzten hölzernen Adler, der das Ende des Geländers ziert. »Er wartet schon den größten Teil des Nachmittags, und obwohl wir alles versucht haben, war er nicht dazu zu bewegen, das Schreiben hierzulassen, noch nicht einmal für einen Schilling. Er will uns auch nicht sagen, wer ihn geschickt hat; er beharrt darauf, strikte Anweisung zu haben, es nur Euch auszuhändigen, es handele sich um eine äußerst dringende und vertrauliche

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