Frevel: Roman (German Edition)
einer katholischen Invasion beteiligt ist, ist er ungeachtet seiner guten Absichten ein Verräter.«
»Ich weiß.« Ich höre selbst, wie scharf meine Stimme klingt; erneut stelle ich fest, dass mich sein belehrender Ton verdrießt, und schäme mich prompt dafür. Glaubt er, mir erklären zu müssen, wie ich meine Rolle in der Botschaft zu spielen habe? Möglicherweise bin ich überempfindlich; das allerdings gehört für jeden in unserem Geschäft zu einem wertvollen Warnsystem, das habe ich in Oxford am eigenen Leibe erfahren.
»Natürlich.« Fowler lehnt sich zurück und hebt die Hände, um anzudeuten, dass er mich nicht hat kränken wollen. »Und fürs Erste geht es nur um die Briefe. Hier hängt alles von Euch und Eurem Freund, dem Sekretär, ab.«
Wir bezahlen das Bier, bahnen uns einen Weg durch die überfüllte Schänke und treten hinaus in die Nachmittagssonne. Das schöne Wetter hat die Stimmung der Londoner gehoben: Als wir die Friday Street hinunterschlendern, lächeln die Leute, grüßen sich und machen Bemerkungen über die ungewöhnliche Wärme, statt sich wie sonst gegenseitig mit ihrer üblichen grimmigen Entschlossenheit zur Seite zu stoßen. Fowler und ich setzen unseren Weg zunächst schweigend fort, unser Gespräch lastet noch auf uns. Erst jetzt, da ich die Passanten beobachte, die fröhlich ihrem Tagewerk nachgehen, erfasse ich die volle Bedeutung dessen, auf was wir uns eingelassen haben. Wir sprechen von nichts Geringerem als einer möglichen Invasion – von Frankreich oder Spanien oder beiden Ländern –, die letztendlich darauf abzielt, Elisabeth zu entthronen und England wieder unter die Herrschaft Roms zu stellen. Und was wird dann aus ihren protestantischen Untertanen, diesen rotgesichtigen Markthändlern und breithüftigen Hausfrauen, die gut gelaunt Bogen um Pferdeäpfel auf dem Pflaster schlagen, während sie sich zuwinken und zum hundertsten Mal feststellen, dass man meinen könnte, es wäre Juli, nicht wahr?
Sidney und Walsingham waren beide während der Bartholomäusnacht 1572 in Paris, als Hugenottenfamilien zu Tausenden von katholischen Truppen abgeschlachtet wurden und die Rinnsteine der Stadt vor protestantischem Blut überflossen. Genau das ist es, was Walsingham, wie ich weiß, am meisten fürchtet: dass dasselbe in den Straßen von London passierte, wenn die Katholiken wieder an die Macht gelangten. In Paris gibt es viele, die munkeln, dass der Herzog von Guise für das Massaker in der Bartholomäusnacht verantwortlich gewesen wäre.
»Hier trennen sich unsere Wege«, sagt Fowler, als wir zur Ecke Watling Street gelangen. »Wenn Ihr unserem Freund eine Nachricht zukommen lassen wollt, könnt Ihr mich in meiner Unterkunft in der Nähe des Hahnenkampfplatzes auf dem St. Andrew’s Hill erreichen.« Er bleibt stehen und legt mir eine Hand auf den Arm. »Achtet darauf, wer heute Abend zur Messe nach Salisbury Court kommt und ob Howard irgendeinen Engländer mitbringt, den wir noch nicht kennen. Und hütet Euch vor Archibald Douglas. Er ist nicht nur der ungehobelte Trunkenbold, der er zu sein vorgibt.«
»Dann ist er ein Meister der Verstellungskunst«, gebe ich zurück. »Ich wundere mich, dass Castelnau und Howard seine Manieren tolerieren.«
»Sie dulden ihn, weil Maria Stuart es ihnen befiehlt. Und Douglas profitiert davon, dass sie tief in seiner Schuld steht. Wusstet Ihr, dass er es war, der den Mord an Lord Darnley begangen hat, ihrem zweiten Mann?«
»Tatsächlich?«
»Tatsächlich.« Fowler lächelt, als er sieht, dass sich meine Augen vor Überraschung weiten. »Deswegen kann Douglas nicht nach Schottland zurück – er würde sofort festgenommen werden. Er ist ein notorischer Intrigant und wird außer des Mordes überdies politischer Verschwörungen verdächtigt. Und er versteht es ausgezeichnet, sich bei anderen einzuschmeicheln – denkt daran, dass König James ihn mag, obwohl er davon ausgehen muss, dass Douglas seinen Vater umgebracht hat. Frauen finden ihn allem Anschein nach außerdem sehr anziehend.«
»Frauen haben manchmal einen eigenartigen Geschmack.« Ich denke an Douglas’ drei Tage alten silbrigen Stoppelbart und sein Gerülpse. Fowler verdreht die Augen und nickt nachdrücklich, während Passanten sich an uns vorbeidrängen. »Was hat es eigentlich mit der Geschichte von der Pastete auf sich?«
»Ah, die solltet Ihr lieber von ihm selbst hören.« Er grinst. »Nur Douglas kann dieser Geschichte die Würze verleihen, die sie verdient. Ich
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