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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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vorschwebt, aber hat sie nicht bereits klargestellt, dass für einen Liebhaber andere Kriterien gelten würden? Ich verdränge die unangenehme Vorstellung, dass ihr Vater vermutlich nicht viel älter ist als ich, und gebe sie, ob meiner unausgesprochenen Gedanken beschämt, rasch frei. Sie zieht ihre Kapuze tiefer in die Stirn.
    »Das Parfüm ist übrigens widerlich«, sagt sie, als sie sich zum Gehen wendet, und nickt zu der Stelle hinüber, wo der Samtbeutel in meinem Wams steckt. »Nur ein Mann kann sich einbilden, eine Frau würde so etwas benutzen wollen.« Sie lacht, winkt kurz und tritt danach in das helle Morgenlicht hinaus.
    Bis sie in der Menge verschwindet, sehe ich ihr nach, drehe mich dann um und schlage die entgegengesetzte Richtung ein. Erst als ich am anderen Ende des Durchgangs in das Licht eintauche, spüre ich jemanden hinter mir. Ich fahre herum, aber mir folgen Dutzende von Menschen, die mir nur insofern Beachtung schenken, als sie unwillig mit der Zunge schnalzen, weil ich so abrupt stehen geblieben bin und dadurch den Passantenstrom kurzfristig zum Stillstand gebracht habe. Argwöhnisch drehe ich mich nach rechts und links, verrenke mir den Hals, um über die Köpfe der Menge hinwegschauen zu können, und pralle beim Weitergehen immer wieder gegen andere Fußgänger, doch alles, was ich sehe, ist eine Flut von Gesichtern, die vom Torhausdurchgang her auf mich zuwogt. Niemand nimmt Blickkontakt mit mir auf. Es ist möglich, dass ich mir alles nur eingebildet habe. Dennoch weiß ich instinktiv, dass gerade eben jemand hinter meinem Rücken gelauert und mich beobachtet hat, und dieser Jemand muss gesehen haben, wie ich mit Abigail Morley sprach.
    Ich nehme ein Boot zurück nach Salisbury Court, weil ich glaube, dass es für einen etwaigen Verfolger schwieriger ist, auf dem Fluss unbemerkt zu bleiben. Obwohl ich während der ganzen Fahrt zu den anderen Booten und Lastkähnen hinüberspähe, bis sogar der Bootsmann nervös wird und fragt, was los ist, kann ich nichts entdecken, was mir Grund zur Sorge geben könnte. Als ich bei der Botschaft ankomme, bin ich schon fast überzeugt, mich geirrt haben zu müssen.
    Ich habe die Galerie im ersten Stock zur Hälfte durchquert und brenne darauf, endlich den Inhalt des Samtbeutels zu untersuchen – den ich für den Fall, dass ich tatsächlich verfolgt werde, nicht an einem öffentlichen Ort zu öffnen gewagt habe –, als ich eine Frauenstimme meinen Namen rufen höre. Da ich so darauf fixiert bin, mich in meine Kammer zurückzuziehen und mich mit den Geschenken zu befassen, die Cecily von ihrem mysteriösen Liebhaber erhalten hatte, wäre mir angesichts der unerwünschten Ablenkung beinahe ein saftiger Fluch entfahren. Marie steht mit dem kleinen Hund ihrer Tochter in den Armen in einer Türöffnung hinter mir und betrachtet mich mit schief gelegtem Kopf. Widerstrebend drehe ich mich um und verneige mich.
    »Madame.«
    »Von wem war denn der geheimnisvolle Brief, den Ihr gestern bekommen habt, Bruno? Wir sterben alle vor Neugier, es zu erfahren.« Sie kommt mit einem koketten Lächeln auf mich zu und bleibt etwas zu dicht vor mir stehen. Sie trägt ein Kleid aus blauer Seide, und an ihrem Mieder steckt eine große, mit in der Sonne funkelnden Rubinen und Diamanten besetzte Brosche. Der Hund schiebt den Kopf vor und leckt mir die Hand. »Ich habe vermutet, dass irgendein in Euch vernarrtes englisches Mädchen Euch selbst gedichtete Verse schickt, aber Claude ist davon überzeugt, dass die Antwort viel interessanter sein muss. Wer würde Bruno Botschaften schicken, ohne seinen Namen preiszugeben?, fragt er sich. Oder ihren Namen.« Ihre Augen weiten sich in gespielter Unschuld.
    Ich lächele höflich, wenngleich Unbehagen in mir aufkeimt: Es ist meinen Plänen nicht gerade dienlich, wenn der gesamte Haushalt Spekulationen darüber anstellt, mit wem ich in Kontakt stehe, schon gar nicht angesichts solcher Verschwörungen wie denen, von denen ich am Abend zuvor gehört habe. Allmählich komme ich zu dem Schluss, dass es ein Fehler war, Abigail vorzuschlagen, etwaige Nachrichten hierherzuschicken. Meine Gedanken überschlagen sich, während ich eine bedauernde Miene aufsetze.
    »Ich wünschte, Ihr hättet Recht, Madame, aber leider existiert ein solches Mädchen nicht. Der Brief stammte von einem jungen Mann vom Hof, der eines meiner Bücher gelesen hat und mein Privatstudent werden möchte.«
    »Eines Eurer Bücher ?« Sie wirkt sichtlich enttäuscht.
    »So

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