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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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schließt, zuckt der Junge merklich zusammen, zeigt auf mich und ruft mit einem anklagenden Unterton in der Stimme:
    »Das ist er, Sir! Das ist der Mann!«

8
    Whitehall Palace, London
    30. September im Jahr des Herrn 1583
    Lord Burghleys Gesicht verzerrt sich gequält. Ich nehme an, dass auf meinem eigenen Gesicht ein ähnlicher Ausdruck liegt, obwohl ich nicht genau weiß, warum. Niemand rührt sich von der Stelle.
    »Bist du ganz sicher? Das ist der Mann, der dir die Botschaft für Lady Abigail gegeben hat?«
    Walsingham schlägt einen scharfen Ton an, was bewirkt, dass der Junge sichtlich in Verwirrung gerät; sein Blick wandert wild von mir zu dem Staatssekretär, zu Burghley und wieder zurück, als fürchte er, wir würden versuchen, ihn in eine Falle zu locken.
    »Nein! Nicht die Botschaft – das heißt, die Botschaft kam von ihm, aber er hat sie mir nicht gegeben.«
    »Du redest Unsinn, Junge.«
    »Er sagte mir, die Botschaft wäre von Master Bruno – der Mann, der mich im Hof angehalten hat.« Jetzt ist die Panik in der Stimme des Jungen nicht mehr zu überhören. »Ich konnte ihn im Dunkeln nicht richtig sehen, aber er hat gesprochen wie ein Engländer. Das ist Master Bruno«, fügt er, erneut auf mich deutend, hinzu. »Seine Stimme war es nicht. Er ist kein Engländer.«
    »Das ist uns bekannt.« Walsingham lässt seiner Ungeduld kurz freien Lauf, dann nimmt er sich zusammen, und sein Ton wird weicher. »Wir müssen herausfinden, was heute Abend genau geschehen ist – Jem, nicht wahr?«
    Der Junge nickt unglücklich.
    »Gut. Also, Jem – erzähl uns alles noch einmal. Ein Mann, den du nicht kennst, hat dich früher am Abend auf dem Hof neben der Küche angehalten und dich gebeten, Abigail Morley etwas von Master Bruno auszurichten. Ist das richtig?«
    »Ja, Sir.«
    »Und du konntest den Mann nicht genau erkennen?«
    »Nein, Sir. Die Kerzen brannten noch nicht, und es war dunkel. Und er hatte sich einen großen Hut tief in die Stirn gezogen und den Kragen aufgestellt, Sir.« Der Junge zupft am Halssaum seiner schmutzigen Tunika, um uns zu zeigen, was er meint. Eine kleine Pause entsteht. »Er könnte einen Bart gehabt haben«, fügt der Junge schließlich hoffnungsvoll hinzu.
    Walsingham verdreht die Augen.
    »Er könnte einen Bart gehabt haben. Nun, wenigstens können wir jetzt die Frauen und Kinder ausschließen.«
    »Nicht alle Frauen«, kommt es murmelnd vom Fenster her aus Leicesters Mund. Ich fange seinen Blick auf, und er lächelt trotz der angespannten Atmosphäre im Raum. Ich gebe das Lächeln zurück, wobei ich fast etwas wie Erleichterung empfinde. Burghley misst ihn mit einem tadelnden Blick.
    »Und wie genau lautete die Nachricht?«, bohrt Walsingham weiter.
    »Ich sollte ihr … ich sollte ihr sagen, dass Master Bruno sie vor dem Konzert heimlich bei dem Küchendock treffen möchte. Er betonte, dass es dringend wäre. Dann gab er mir einen Schilling.« Jem blickt sich nervös um, als argwöhnte er, die Münze zurückgeben zu müssen.
    Walsingham runzelt die Stirn.
    »Und du hast die Nachricht sofort überbracht? Wie bist du denn in die Privatgemächer Ihrer Majestät gekommen?«
    »Ich habe etwas Zuckerwerk mitgenommen, Sir. Dann können die Wachposten einen nicht zurückschicken – man muss nur behaupten, die Königin hätte danach verlangt, sie wissen nämlich nicht, ob das stimmt oder nicht. Die Mädchen – die Hofdamen Ihrer Majestät, meine ich – schmuggeln mit der Hilfe von uns Küchenjungen oft Botschaften herein und heraus.« Er beißt sich schuldbewusst auf die Unterlippe. »Ich bin so weit hineingegangen, wie ich konnte, und habe eine von ihnen gebeten, Lady Abigail zu holen.«
    »Und wie wirkte sie, als du ihr die Botschaft ausgerichtet hast?«
    »Verängstigt, Sir«, erwidert der Junge, ohne zu zögern. »Sie sagte, sie würde sofort kommen und ich solle niemandem etwas davon erzählen.«
    »Und das war vor dem Beginn des Konzerts? Wie lange davor?«
    »Das kann ich nicht sagen, Sir.« Jem blickt auf seine zerschlissenen Schuhe hinab. »Ich kann die Zeit nicht lesen. Aber es war nicht lange vorher – in der Küche war kaum jemand mehr, das weiß ich genau. Sie hat uns für den Abend freigegeben, weil sie wegen des Konzerts früher gegessen hat. Ihre Majestät, meine ich. Und die ersten Gäste waren schon angekommen.«
    Walsingham sieht mich fragend an.
    »Ich habe heute Abend keine derartige Botschaft geschickt.« Ich versuche, nicht den Eindruck zu erwecken, als müsse

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