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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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ich, aber ich habe immer geglaubt, sie würde sich mir instinktiv verbunden fühlen, wenn ich sie nur dazu bringen könnte, mir zuzuhören oder mein Buch zu lesen. Genau wie ich ist sie wegen Ketzerei exkommuniziert und wegen ihrer Ansichten zur Feindin der Kirche erklärt worden; die Inquisisiton will sie genau wie mich tot sehen, und trotz der Bemühungen von sachlich und nüchtern denkenden Beratern wie Walsingham und Burghley fördert sie Männer wie John Dee und interessiert sich für seine esoterischen Bestrebungen. Wenn eine Herrscherin dafür prädestiniert ist, einen ketzerischen Philosophen, der unorthodoxe und provokative Theorien vertritt, zu unterstützen, dann sicherlich diese vorurteilslose, schamlos intellektuelle Frau, hinter deren huldvollem Lächeln, das sie jetzt ihren katzbuckelnden Höflingen schenkt, sich ein eiserner Wille verbergen muss, sonst hätte sie nicht so lange in einer Männerwelt regieren können.
    Elisabeth Tudor schreitet langsam durch die Halle, sie hält sich sehr gerade und bewegt sich für ihr Alter und die augenfällige Schwere ihres kostbaren Gewandes mit Röcken aus dickem scharlachrot-goldenem Brokat und dem mit kleinen Granaten und Perlen bestickten scharlachroten Mieder erstaunlich anmutig. Um den Hals trägt sie eine kleine Krause aus gestärkter Spitze mit einem steifen Kragen, einem zarten Gebilde aus Draht und feinerer Spitze, das hinter ihrem Nacken aufragt. Daran sind zu beiden Seiten drei lange Perlenschnüre befestigt. Ihr dunkelrotes Haar ist kunstvoll frisiert und so hoch aufgesteckt, dass sie kaum wagen darf, den Hals zu bewegen, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Ich vermute, dass es sich um eine Perücke handelt. Ihre ganze Haltung ist ein Musterbeispiel majestätischer Würde. Hinter der Schicht weißer Schminke, die ihr Gesicht bedeckt, ist ihre Miene so undurchdringlich wie eine Maske. Sie ist nicht schön zu nennen, gleichwohl findet sich in ihren Zügen etwas, das über bloße Schönheit hinausgeht, ein Ausdruck von Willensstärke und Selbstbewusstsein, der puppenhafte Schönheit trivial erscheinen lässt. In einer Hand hält sie einen Fächer aus langen roten Federn mit einem Perlmuttgriff. Auch ihre Hofdamen schwenken Fächer, denen dabei jedes Mal feine parfümierte Puderwölkchen entströmen. Für einen lächerlichen Moment hoffe ich, dass Elisabeth nach links schaut und mich bemerkt, doch sie geht ohne Eile weiter auf das Podest zu. Obschon sie dabei lächelt, behält sie ihre in sich gekehrte Aura bei. Hinter ihr kommen die Hofdamen, alle in langen weißen Seidengewändern; sie folgen ihren Schritten mit akribischer Präzision, während ihre Blicke durch den Raum wandern und sich hier und da auf einen jungen Mann heften, bevor sie sich scheu abwenden. Dahinter sehe ich die älteren Dienerinnen, die sieben Kammerfrauen, unter ihnen auch Lady Seaton, die zufällig den Kopf senkt, als ich meinen hebe; unsere Blicke kreuzen sich, und sie runzelt flüchtig die Stirn – aus Neugier, wie ich annehme –, ehe sie wieder nach vorne schaut und ihr Gesicht seinen üblichen, leicht säuerlichen Ausdruck annimmt.
    Erst als die Königin die Stufen des Podestes emporgestiegen ist, ihren Thron bestiegen und ihre Hofdamen um sich versammelt hat, bemerke ich, dass Abigail Morley nicht unter ihnen ist, und augenblicklich zieht sich meine Brust schmerzhaft zusammen.
    Walsingham, Burghley und einige andere, ernst blickende silberbärtige Männer in Schwarz – vermutlich die Staatsmänner des Kronrats – nehmen ihre Plätze zu beiden Seiten des Podests ein und verschränken die Hände hinter dem Rücken, als wären sie im Dienst. Falls Walsingham mich gesehen hat, lässt er es sich nicht anmerken. Elisabeth bedeutet ihren Untertanen, sich zu erheben, und sowie das Rascheln der Kleider verstummt ist, streckt sie eine Hand aus.
    »Mylords, Ladies und Gentlemen«, beginnt sie mit einer klaren, für eine Frau ziemlich tiefen, aber gemessenen, mit öffentlichen Reden vertrauten Stimme. »Ich habe euch eingeladen, um euch mit einigen neuen Kompositionen von Master Byrd zu erfreuen, die von dem Chor der Hofkapelle gesungen werden. Die Schönheit von geistlicher sowie weltlicher Musik überschreitet jegliche Grenzen von Rasse und Religion und ist für alle Menschen bestimmt.« Nach diesen Worten nickt sie, und die großen Türen der Halle öffnen sich erneut.
    »Das sagt sie, um die Puritaner zu beschwichtigen«, flüstert Courcelles hinter meinem Rücken. »In ihrem

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