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Frevel: Roman (German Edition)

Frevel: Roman (German Edition)

Titel: Frevel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Parris
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über das Gesicht, als könne ich ihm so einen Anschein von Normalität verleihen, und ringe mir ein freundliches Lächeln ab. Howard hat sich anlässlich des Konzerts den Bart stutzen lassen, wodurch sein Gesicht noch spitzer wirkt, sein schwarzes Haar ist ordentlich zurückgekämmt, und in einer Hand hält er einen mit Granaten und einer schillernden Pfauenfeder geschmückten Hut.
    »Oder sollte ich besser sagen: einen Geist?«, fügt er mit derselben falschen Höflichkeit hinzu, dabei dreht er den Hut langsam zwischen den Fingern.
    Ich bin immer noch in einer Art Schockzustand gefangen, und obwohl ich meine Beine kaum spüren kann, fällt mir ein, dass die Knie meiner Hose nass sind, weil ich neben dem Leichnam gekniet habe. Es es unwahrscheinlich, dass Howard mich eindringlich genug begutachten wird, um es zu bemerken, jedoch verstärkt es das Unbehagen, das ich in seiner Gegenwart empfinde. Tatsächlich bin ich mir meiner durchweichten Knie so stark bewusst, dass ich ein Weilchen brauche, um zu registrieren, was er eigentlich gesagt hat.
    »Bitte?«
    »Wie ich hörte, verbringt Ihr viel Zeit in Mortlake, in der Bibliothek unseres Freundes Doktor Dee«, fährt er fort. »Der Botschafter erwähnte etwas in der Art.«
    »Ich benutze sie manchmal für meine Recherchen«, erwidere ich langsam, kaum imstande, mich zu zwingen, die notwendige Vorsicht walten zu lassen. Howard zieht seine elegant geschwungenen Brauen hoch und misst mich mit einem langen Blick, als wollte er mich mahnen, bei der Wahrheit zu bleiben.
    »Also ist er jetzt dazu übergegangen, Geister zu beschwören, oder nicht?«
    »Ich weiß nicht, wie Ihr darauf kommt, Eure Lordschaft«, protestiere ich, höre aber selbst, wie meine Stimme zittert. Ich will nur noch, dass er mit seinen Sticheleien aufhört und mich in Ruhe lässt, damit ich meine Gedanken sammeln kann, bevor ich mich wieder zu Castelnau geselle.
    »Er hat seine grotesken Visionen Ihrer Majestät anvertraut.« Howards Augen schweifen über die Köpfe der Menge hinweg zu dem Podest, wo die Königin mit Leicester sitzt. »Sie hat sie ihrerseits ins Lächerliche gezogen, indem sie sie vor dem Kronrat zum Besten gegeben hat. Ihr könnt Euch sicher vorstellen, wie wir gelacht haben.« Er dreht sich abrupt um und sieht mich an. »Aber wenn Dee wirklich versucht, mit Geistern zu sprechen, könnte er selbstverständlich wegen Hexerei verhaftet werden. Ich bezweifle, dass sie ihn dann noch retten kann.«
    »Mylord, ich weiß nichts davon.«
    »Ihr steht Dee sehr nah, nicht wahr?«
    »Ich respektiere ihn als Gelehrten. Indes, ich muss sagen, dass mir John Dee zu vernünftig erscheint, als dass er etwas Derartiges versuchen würde.«
    »Was denn – Teufel herbeizurufen, meint Ihr? In einem magischen Kristall? Oder Statuen Leben einzuhauchen?«
    Bei diesen Worten zucke ich merklich zusammen, und augenblicklich leuchten seine Augen auf – er weiß, dass er ins Schwarze getroffen hat. Ich hole tief Atem. Entweder hat Howard beschlossen, seinen Hass auf Dee auf alle auszuweiten, mit denen Dee Umgang pflegt, oder er hat Grund zu der Annahme, dass Dee und ich so vertraut miteinander sind, dass der alte Astrologe mir von Howards eigener Suche nach dem verschwundenen Buch des Hermes Trismegistos erzählt haben könnte. Und wenn dem so wäre … wie ist er bloß auf diese Idee gekommen? Hat Castelnau ihm gegenüber tatsächlich meine Ausflüge nach Mortlake erwähnt, oder ist es möglich, dass Howard mir gefolgt war? Er selbst hatte zwar gleichfalls in Salisbury Court die Messe besucht, als ich gestern von Mortlake zurückkam, er könnte mir aber leicht einen Diener hinterhergeschickt haben, der mich beobachten sollte. Sein spöttischer Blick entgeht mir nicht, gleichwohl bin ich aufgrund der Ereignisse des Abends noch zu verstört, um meine übliche stoische Gelassenheit an den Tag zu legen. Statuen Leben einzuhauchen – das ist eine offene Anspielung auf die hermetische Magie, und jetzt lauert er darauf, dass ich nach dem Köder schnappe. Doch ich entscheide mich dafür, Ahnungslosigkeit vorzutäuschen und überhaupt nicht darauf einzugehen.
    »Ihr solltet besser auf der Hut sein, Bruno«, schnarrt er endlich, als ihm klar wird, dass er keine Antwort von mir bekommen wird. »Der Ruf als Experte auf dem Gebiet schwarzer Magie, den Ihr Euch in Paris erworben habt, ist bereits Gegenstand einiger Gerüchte am englischen Hof.« Er deutet auf die uns umringende Menge.
    »Wie konnte es nur dazu kommen?«,

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